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Brandstiftung im Attental

 vor 140 Jahren brannte der Rauferhof ab


Zur Zeit der Brandstiftung ist Andreas Raufer, verheiratet mit Maria Anna geb. Bank (gebürtig vom Bank`schen Hof), Besitzer und Hofbauer auf dem Rauferhof. Sie waren zur Zeit des Brandunglücks gerade 12 Jahre verheiratet und hatten 8 Kinder. Vorgenannter Rauferhofbauer verstarb 1886 im Alter von 52 Jahren. Das landwirtschaftliche Anwesen stand zur damaligen Zeit auf der östlichen Talseite, rechts der Talstraße, am Weg (Flurname Stegmatten) etwa in Höhe der heutigen Hofeinfahrt. Unmittelbar nach dem Brand wurden die Gebäude 1869/70 neu aufgebaut. Die in der Gerichtsverhandlung erwähnte Hofkapelle stand damals am heutigen Platz. Der Kapelleneingang war nach dem Lageplan (um 1900) in Richtung Westen. 1901 erhielt sie einen neuen Turmaufsatz. Nach dem „Einschätzungsverzeichnis zur Gebäudeversicherung“ ist die Hauskapelle im Jahr 1901 auf 128 Jahre alt geschätzt worden. Das geschichtsträchtige Hofkapellchen steht nun schon seit ca.1773 an diesem Platz. Der Erbauer dieser Kapelle war Hofbauer Andreas Raufer, verstorben 1793. Mit seiner 1. Ehefrau Anna Maria geb. Frey hatte er 10 Kinder. Mit seiner 2. Ehefrau Anna geb. Bank, Witwe des Mathias Hug, Bauer im Attental, hatte er 4 Kinder. Wie oben erwähnt, stand die Hauskapelle auf der linken, westlichen Talseite und wurde beim Hofbrand nicht beschädigt. Erwähnenswert ist, dass um 1660 der erste Bauernstamm „Raufer“ auf diesem Hof nachgewiesen ist. 

Folgender Bericht ist überliefert: Am Donnerstag, dem 11. März 1869, 15°° Uhr war die Anklage gegen Barbara Reichenbach aus dem Suggental (heute Ortsteil von Waldkirch) wegen Brandstiftung. Die Staatsbehörde war durch Staatsanwalt Bender, die Verteidigung durch Anwalt Nòe vertreten.

„Die 21 Jahre alte Barbara Reichenbach ist von geringer geistiger Befähigung und hat auch in Folge des frühen Todes ihrer Mutter und der Trunksucht ihres Vaters eine mangelhafte Erziehung genossen, ihre Fortschritte in der Schule waren gering, ihr Fleiß nicht genügend. Noch während ihres Schulbesuchs wurde sie bei verschiedenen Bauern ihrer Heimat in Pflege gegeben, denen sie hiefür Hirtendienste leisten musste. Ihr schwatzhaftes, lügnerisches und lautes Betragen machte es ihr einige Jahre nach ihrer Schulentlassung unmöglich, weiter in ihrer Heimat Arbeit zu bekommen und sie hielt sich deshalb seither auswärts teils in Glottertal, teils in Denzlingen und im Kirchzartner Tal als Dienstmagd auf. An Johanni 1868 (24. Juni) trat sie bei dem Bauer Andreas Raufer in Dienst. Ihr Benehmen war im Allgemeinen ordentlich, nur war sie faul, so dass ihr ihre Dienstherrin auf Weihnachten gekündigt und ihr oft gesagt hatte, dass sie fortziehen müsse. Trotzdem war sie am Stefanstage und am Tag darauf, am 27. Dezember, noch nicht weggezogen, weil sie noch keine Arbeit gefunden hatte. Außerdem war sie wegen angeblicher Krankheit im Bett geblieben. Am Stefanstage hatte sie, über ihr Befinden befragt, ihrer Dienstherrin erklärt, sie befände sich besser, sie habe ein Kind gehabt. Ihr Bruder und Liebhaber hätten es aber fortgeschafft, worauf die Ehefrau Raufer, welche diese Angabe für eine Ausflucht hielt, ihr am folgenden Tage sagte, sie werde den Doktor schicken, der sie untersuchen solle. Diese später stattgefundene Untersuchung hat ergeben, dass die Angeklagte nicht geboren hat, sondern etwa im 6ten Monat schwanger war.

Nachdem am Sonntag, dem 27. Dezember 1868 die Ehefrau Raufer etwa um 8°° Uhr sich auf den Weg zur Kirche gemacht hatte und außer der Angeklagten und Peter Bank, der Bruder der Ehefrau Raufer und der Letzteren 8 Kinder, von denen das älteste 12, das jüngste ¾ Jahre alt ist, zu Hause waren, stand die Angeklagte in ihrer auf dem oberen Gange befindlichen Kammer auf, ging auf diesen Gang heraus, mit Streichhölzern versehen und zündete den von diesem Gang aus zugänglichen Garbenstock an, in der Absicht das Haus anzuzünden.

Obgleich die Angeklagte ein bestimmtes Motiv für ihre Tat nicht angegeben hat und sich darauf beschränkte, zu behaupten, es habe sie etwas in ihrem Inneren zur Tat angetrieben, so ist doch leicht ersichtlich, dass teils Rache über die stattgefundene Kündigung und ihre dadurch veranlasste „Obdach- und Dienstlosigkeit“, teils aber auch die Furcht vor der bevorstehenden ärztlichen Untersuchung in ihr den Entschluss zur Tat hervorriefen. Die Flamme griff natürlich rasch um sich und es wurde der Bauernhof samt Ökonomiegebäuden und fast sämtliche Fahrnisse ein Raub der Flammen. Die Kinder und das Vieh mit Ausnahme der Schweine wurden durch Peter Bank allein gerettet. Der eingetretene Schaden an Gebäulichkeiten beträgt 2400 fl., der Fahrnisse 5893fl.

Von dem ganzen Hof blieben nur zwei getrennt stehende Nebengebäude, die von Stein und mit Ziegeln gedeckt sind, sowie auf der anderen Straßenseite befindlichen Hauskapelle stehen. Die nächsten Gebäulichkeiten sind 245 beziehungsweise 280 Schritte entfernt. Allein für den selbst 280 Schritte entfernten Bank`schen Hof war das ausgebrochene Feuer gefährlich, weil eine brennende Schindel vom Wind bis dorthin getrieben wurde und auf dem Dach zündete, jedoch total gelöscht wurde.

Die Angeklagte hat sowohl dem Peter Bank als auch dem Bürgermeister Andris und dem Gendarmen Lumpp und Ziegler die Tat eingestanden, auch vor dem Gericht ein Geständnis abgelegt, das sie am Ende der Voruntersuchung ohne jede glaubwürdige Begründung widerrufen hat. Die Verteidigung plädierte vorzugsweise für die Annahme des Strafminderungsgrunde der §§§.... Die Geschworenen bejahten sowohl die Schuldfrage als die Entlastungsfrage über den bezeichneten Milderungsgrund. Der Staatsanwalt beantragte hierauf eine Zuchthausstrafe von 6 Jahren, der Gerichtshof erkannte dagegen eine solche von 9 Jahren (oder 6 Jahren Einzelhaft)“.

Stegen, 24. November 2008
Oskar Steinhart