Heimleitung mit Belegschaft. Vorne in der Mitte die Elsässerin |
Villa im Jahre 1935 |
Gruppenaufnahme |
Da war die Heimleiterin, Charlotte Kötel, 3 Kindergärtnerinnen, 4 Hausmädchen, und einen Hausmeister, ein finsterer älterer Mann, den man fürchten musste. Er aß schon mal aus dem Blechnapf.
Ich glaubte außerdem eine staatlich geprüfte Wirtschaftsleiterin anzutreffen. Das war aber eine Fehlanzeige, man rechnete mit meinem guten Willen. Es waren immerhin 40 Personen, 30 Kinder und 10 Erwachsene. Meine Prüfung hatte ich in Nördlingen im Ries abgelegt. Aber Praktikum hatte ich nur ein Jahr. Die Entscheidung war gefallen, ich sagte zu und packte die Sache selber an. Die Heimleiterin war mir eine große Hilfe.
Was mich betrifft, ich hatte eine Unmenge Arbeit, keine Küchenmaschine, keine Wachmaschine, keine Weckgläser, keinen Elektroherd usw. Die Koksheizung versorgte der Hausmeister.
Damit das "Markenessen" etwas angereichert werden konnte, kauften wir beim nächsten Bauern 2 niedliche Jungschweine, die in kurzer Zeit reichlich zunahmen; bekamen sie doch neben normalem Schweinefutter die süßen Reste des Kinderfrühstücks, wie etwa Haferbrei, Griesbrei und dgl. mehr. Das Schmatzen war das schönste bei dem Menue. Zum Schlachten kam ein Metzger aus Hessen.
Zum Haus gehörte ferner ein Hektar Ackerland. Aber Gießkannen oder gar einen Brunnen suchten wir vergeblich. So bogen wir Kunststoffeimer zu brauchbaren Gießkannen um. Not macht erfinderisch. Das gesamte Ackerland wurde mit zig Gemüsepflanzen bestückt. So hatten wir bis in den späten Herbst Eigengemüse. Aber nicht nur wir freuten uns über den Ertrag - auch die Wildschweine, die machten ganze Sache.
Auf der Bergwiese |
Heimleiterin beim Beerensuchen im Wald |
Spiel vor dem Haus |
Und wo wohnten nun die 9 Leutchen, meistens BdM Mädchen oder Idealisten von 1923 (Heimleitung! ). Die einzige Elsässerin war mir zugetan und aus der Heimleiterin machte ich in kurzer Zeit: aus braun mach schwarz. Dabei hatte sie vor der Gauamtsleitung in Karlsruhe die rührende Aufforderung aus mir eine stramme Parteigenossin zu machen. Aber der Schuß ging in die falsche Richtung. Die Bekehrung zu schwarz" besorgten die Parteibonzen aber ganz schön selber.
Die politische Lage wurde immer gefährlicher, Einschüsse in die Stadt, Tiefflieger. So mußten wir das Brot mit dem Handkarren in Kirchzarten beim Bäcker Berchtold selber holen. Aber unsere "Hausgäste" kamen alle von Freiburg her mit tollen Autos. Was waren wir doch für arme Hunde! Die Tiefflieger versuchten wiederholt uns von der ungeteerten Landstraße in den danebenliegenden Graben zu befördern. Dasselbe Spielchen trieben sie mit uns beim Kartoffelklauben. Wir halfen den Bauer bei ihrer Ernte in der Hoffnung, etwas Kartoffeln zu bekommen. Das ging dann so: hinaus auf den Acker, Tiefflug, zurück in den Wald und das stundenlang, bis alles abgeerntet war.
Die Wochen nach dem Terrorangriff bis zum 27.Februar 1945
Die Umkehr der Heimleiterin war mit Händen zu greifen. Es wurden in unserem Keller zirka 200 Rot- und Weißweinflaschen gelagert. Ferner große Kartons, aber nicht mit Akten, wie man uns zu glauben befahl, sondern mit Sekt. Auf alle Fälle waren diese Schweine alle Tage reichlich voll bis oben. (Die Kinder brachte man in den Hochschwarzwald) Dafür wurde unser Haus mit ausgebombten Flüchtlingen belegt und versorgt.
Bubengruppe im Garten |
Dame in Weiß ist Heimleiterin mit ihrer Kundschafterin. Besuch aus dem Freiburger Lazarett |
Eines Tages schickte der Kreisleiter, Dr. Fritsch, seinen Burschen zu mir und ließ mir sagen, ich sollte mit ihm nach Freiburg fahren zum Einkaufen. Der Weg führte in eine Seitengasse zu einem Herrn Käflein. Der SS Mann legte los: Öl, Butter, Nüsse usw. Herr Käflein wurde stutzig und sagte: Das haben wir schon lange nicht mehr . Worauf der SS Mann einen Zettel aus seiner Brusttasche zog und sieh mal an, Herr Käflein wurde gleich sehr freundlich und brachte Gefordertes herbei. Mir aber blieb die Spucke weg. Aber alle im Haus erfuhren von diesem seltsamen Ein- kaufen" und die Heinleiterin wurde sprachlos und vom braune Verputz blieb nichts mehr übrig.
Dies und die zig Wein- u.Sektflaschen wurden dann in
das Lehrerhaus gebracht, um dort weiterzechen zu können.
Inzwischen hatten Parteileute erfahren, was sie sich
im Baldenwegerhof alles leisten können. Die Wahrheit über
diese Zustände erzählten wir unseren Bekannten in der Stadt.
Eines abends ließ mich der Kreisleiter holen und machte mir
Vorwürfe wegen meiner Aussagen. Ich hielt aber keineswegs hinter
dem Berg. Worauf er meinte: Wenn sie das mit ihrer kath.
Gesinnung nicht vereinbaren können, dann gehen sie doch" und
zu einem dabeisitzenden SS ler meinte er drohend: sollen wir
die nicht gleich verhaften!"
Da verschwand ich in meiner Mansarde, wo schon einige Frauen auf dem
Fußboden lagen, weil wir keine Betten hatten.
Gegen 10 Uhr nachts kam der Sendbote wieder und verkündete mir, sie verlassen sofort das Haus. Ich entgegnete, tut mir leid, aber bei Nacht gehe ich nicht aus dem Haus. Er überbrachte meine Meinung zum Chef der Bande und der Botschafter kam noch einmal mit derselben Aufforderung und meiner nochmaligen Ablehnung. Ich sagte ihm aber zu, daß ich am nächsten Vormittag das Haus verlasse. Er gab sich scheinbar damit zufrieden.
Die Heimleiterin mit der Elsässerin waren schon verschwunden. Ich machte mich auf den Weg nach Kirchzarten, wo die anderen schon auf mich warteten. Bei unserem Hausarzt fanden wir Unterschlupf. Nach einem Tag nahm ich die Ausreißer, Fr. Kötel und die Elsässerin mit mir nach Neuburg. Interessant zu bemerken: 10 Min nach unserem Weggang zum Bahnhof kamen 2 SS Männer zu Dr. Eckert um mich in Gewahrsam zu bringen. Aber der durchlöcherte, stockfinstere Bummelzug fuhr in Richtung. Ulm. Manchmal hieß es, alles aussteigen, Gepäck mitnehmen und ein gutes Stück laufen. Die Schienen waren defekt.
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Eßzimmer |
Waschsaal |
Zu der Kinderlandverschickung wäre noch zu sagen, daß immer 30
Kinder kamen. Entweder es waren Einjährig, oder nur 30
Mädchen im Alter von 10 oder 14 Jahren. Mit den Buben verfuhr man genauso.
Was nach der Einnahme des Hauses durch Franzosen und Marokkaner noch
alles geschah, kann ich leider nichts berichten.
Vom Lehrerhaus weiß ich sicher, daß es von Kriegsgefangenen umstellt wurde, so
daß der Lehrersfamilie nichts andres übrig blieb, als sich zu erschießen. Mitgefangen
- mitgehangen.
Ich kam selber kaum noch nach Freiburg. Ich hatte den Beruf gewechselt und ging
ins Lehrfach.
Vielleicht nützen Ihnen die vielen Zeilen ein bißchen, ich wünschte es.
Ich grüße ganz herzlich, Herrn Klaus Kiesel
und ich danke nochmals für den Besuch im
Baldenwegerhof !
Ihre ...
(Anmerkung des Webmasters: Dieser Bericht wurde mir von einer Touristin aus Bayern zugeschickt, die eines Tages die Villa, heute Forstzoologisches Institut, besuchte um alte Erinnerungen aufzufrischen. Die Bilder wurden von der Dame beigelegt. Leider hat sie ihren Brief nicht mit Namen oder Absender versehen. Im Text wurde nichts verändert.)