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Das Baugebiet in Stegen in den Jahren 1968-1973
Fridolin Hensler

Die ehemalige Grundherrschaft Weiler hatte der gräflichen Familie von Kageneck in Stegen umfangreichen Grundbesitz in die Hand verschafft. Über die Lindenbergkapelle, die St. Sebastianskapelle in Stegen und die Pfarrkirche in Eschbach war die Familie traditionell sehr religiös orientiert und kirchenfreundlich eingestellt. Sie ermöglichte so auch die Einrichtung einer ursprünglichen Missionsschule, aus der dann das heutige Kolleg St. Sebastian hervorging.

Durch preisgünstige Übertragung auf die Gemeinde und an mehrere Bauträger für öffentlichen Wohnbau konnte in kurzer Zeit eine gewaltige bauliche Entwicklung in Stegen vollendet werden. Gräfin Gertrud von Kageneck hatte als Witwe des 1957 verunglückten Grafen Heinrich im Jahr ihren Grundbesitz abgetreten.

In Eschbach haben diese früheren Grundherren und Großgrundbesitzer auf dem Friedhof mit einem bescheidenen  Grabmal an der Umfassungsmauer ein ehrendes Gedenken gefunden.
Grabmal

Das schlichte Grabmal auf dem Friedhof in Eschbach im November 2013

Bauland und Erschließung

Der 2. Weltkrieg hatte 1945 durch Zerstörung und durch die nachfolgende Zuwanderung vieler Heimatvertriebener einen großem Wohnungbedarf hinterlassen. Der wirtschaftliche Aufschwung im Anschluß an die Währungsreform 1948 hatte mit dem sogenannten Wirtschaftswunder deshalb auch vielerorts zu verstärktem Wohnungsbau geführt.

Im  Raum Freiburg ergab sich durch mehrere günstige Umstände durch Bereitstellung von Bauland in Stegen die Grundlage für eine stürmische Wohnbauentwicklung. Die Familie der Grafen von Kageneck hatte aus der früheren Grundherrschaft Weiler in Stegen ausgedehnten Grundbesitz im ebenen Gelände zwischen Kirchzarten  und Stegen als ideale Voraussetzung für Bautätigkeit. Dieses Gebiet konnte um 1968 aus einer Hand für eine Bebauung gewonnen werden, wobei aber nicht die Gemeinde, sondern verschiedene Bauträger den Bebauungsplan und die Erschließung zu bewerkstelligen hatten.


Nach dem Tod des Grafen Heinrich von Kageneck 1957 hatte  sich die Witwe Gräfin Gertrud von Kageneck dazu entschlossen, ihre Ländereien abzutreten. Teile davon kamen geschenkt in Besitz der Gemeinde. Der größte Teil wurde kostengünstig an folgende Bauträger abgegeben:

  1.  Im Gewann Großacker in Stegen
     a) „Familienheim“ Freiburg      mit                                        270,06 a
     b)  Interessengemeinschaft Teppichbau Freiburg                115,74 a
     c)  Land Baden-Württemberg  (OFD)                                    50,14 a
     d)  Gräfin von Kageneck, Stegen                                           84,19 a
     e)  Verein bad. Taubstumme e.V. Heidelberg                        35,41 a

  2. Im Gewann Schloßacker
    a)  Wohnstättenbau Freiburg  eGmbH                                  110,09  a
    b)  Massiv-Hausbau GmbH, Freiburg                                   341,14  a

3. Im Gewann Jägerandreas
    a)  Hausbau Wüstenrot, Ludwigsburg                                  131,70  a
    b)  die Gemeinde Stegen für die übrigen Bauflächen

4. Im Gebiet der Staatl. Gehörlosenschule
    a)  das Land Baden-Württemberg für die Staatl. Gehörlosenschule
    b)  die Gemeinde Stegen für Alt-Stegen und St. Sebastian

Die Erschließung
Die Erschließung der verschiedenen Gewanne als Baugelände wurde von der Wohnstättenbau Freiburg als Generalunternehmer übernommen.
Die Kanalisation im Gewann Großacker wurde vom Ingenieurbüro Hagen & Gramer durchgeführt mit einem Kostenaufwand von 363.216.—DM

Für den Straßenbau mußten statt dem ursprünglichen Kostenvoranschlag von 340.000 DM jedoch 400.000 DM aufgebracht werden.

Die Dringlichkeit des Wohnbedarfs und das Drängen auf zügigen Ausbau der projektierten Wohnanlagen durch die kaufmännisch orientierte Planung der Baugesellschaften verhinderte eine weitsichtige kommunale Raumplanung, die dann erst durch die Gemeindereform in Baden-Württemberg 1974 sinnvoll möglich wurde und mit dem Entstehen der heutigen Gemeinde  im Zusammenschluß mit Wittental und Eschbach eine endgültige Orientierung erhielt.


Die Wohnbaugesellschaften gestattete den einzelnen Bauherren der Doppel- und Reihenhäusern mit ihren Standardtypen nur wenig individuelle Gestaltungsmöglichkeit bei der Raumaufteilung und Bauausführung. „Sommerberg“ und „Hirzberg“ waren beispielsweise die Namen der Standardtypen   damaliger Doppelhäuser.

Der Gesamteindruck der Gebäude der Wohnstättenbau und Massiv-Hausbau im Gewann Schloßacker und Ringstraße mit den straßenseitigen Garagenreihen macht daher eher einen kasernenartigen Eindruck als den einer freundlichen Wohngegend. Die  später unter Mitwirkung der Gemeinde erstellten Bebauungspläne in Oberleien, Schauinslandstraße und Stockacker zeigen ein anderes Gesicht.

Die ursprünglichen Bebauungspläne haben sich verschiedentlich geändert, weil anfänglich auch noch der Bau einer projektierten neuen Straße über das Steurental nach St. Peter das Gebiet des Großackers berührt hätte.


Das Volumen der Bauvorhaben 1968 bis 1974


Die gesamt großflächige Bauentwicklung in Stegen um 1970 erstreckte sich auf  vier verschiedene Baugebiete:
1. Gewann Großacker ( Weilerstraße u. Ringstraße)
2. Gewann Schloßacker (Am Schlosspark, Im Großacker u. Kageneckstraße)
3. Gewann Jägerandreas  (Jägerstraße, Andreasstraße)
4. Gebiet der Staat. Gehörlosenschule (Erwin Kern-Straße)

Im Zusammenhang mit der Erschließung und der damit verbundenen Kostenverteilung wurde an Hand des Bebauungsplanes das Bauvolumen der verschiedenen Bauträger (in Form von Wohnungseinheiten) und die dabei zu erwartende Bewohnerzahl errechnet.

                                                                             Wohnungseinheiten            Personenzahl

1. Wohnstättenbau, Freiburg                                                38                                 133
2. Massiv-Hausbau, Freiburg                                              119                                416
3. Familienheim, Freiburg                                                  130                                455
4. Hausbau Wüstenrot, Ludwigsburg                                   28                                  98
5. OFD Freiburg, für Wohnungsbauten                                31                                108
6. IG Teppichbau, Freiburg (OFD)                                       22                                  77
7. Gräfin v. Kageneck, Stegen                                              10                                  35
8. Verein bad. Taubstumme e.V. Heidelberg                        22                                  77
                                                                                          --------                             --------
                                                                                             400                              1400

Hinzu kommt die Gemeinde Stegen mit Alt-Stegen
Einschl. St. Sebastian-Kollegium mit                                                                        800
Staatl. Gehörlosenschule (OFD) vermutlich                                                             700
                                                                                                                                ---------
           Geschätzte Zahl der Bewohner   bis zum Jahr 1974                                    3.200  Pers.

 Bebauungspläne Stegen im  Modellbau um 1968
Über die  Zusammenarbeit  und  Entwicklung   der  dann   maßgeblichen   Bebauungspläne zwischen den verschiedenen Bauträgern und den zeitlichen Rahmen bin ich nicht informiert.
Die Gemeinde Stegen hatte dabei nur beschränkte Möglichkeit der Mitsprache. Entsprechende Unterlagen sind nicht in den Gemeindeunterlagen.
Bebauungsplan
Modell Groß
Die im Gemeindearchiv vorhandenen Fotos zeigen aber unterschiedliche vorausgegangene Pläne. Nachfolgend nun einige Modellansichten zur baulichen Entwicklung in den Gewannen Großmatte mit der Gehörlosenschule, Großacker, Schloßacker und Jägerandreas. Untenstehendes Modellfoto (im Besitz von F. Hensler) wurde im Postkartenformat im Zusammenhang mit Werbeunterlagen der Massiv-Hausbau 1968 verbreitet mit einer völlig anderen Anordnung der niederen Bungalowbauten und der mehrgeschossigen Häuser.
BBZ
Modell2_1971

Baugebiet Schloßacker 1968
Das Gewann Schloßacker zwischen der heutigen Kirchzartener Straße und der Zartener Straße ist auf dem Lageplan des Vermessungsamtes im Atlas der Gemeinde Stegen 1890 mit Lgb. Nr. 40 ein großflächiges Areal, das nicht parzelliert ist. Es ist als ebenes herrschaftliches Gelände mit guter Bodenbeschaffenheit für landwirtschaftliche Bewirtschaftung bestens geeignet und wurde seit langer Zeit als Ackerland genutzt.

Der Grundstückverkauf  an die Wohnbaugesellschaften erfolgte  am  17. Dez. 1964. Dabei wird als Verkäufer Herr Alfred Graf von Kageneck, Gutsbesitzer in Munzingen genannt. Die besitzrechtlichen Verhältnisse der Familie von K. sind mir nicht bekannt. In Stegen wurde Gertrud Gräfin von K. als Besitzerin betrachtet. Nach diesem Grundstücksverkauf von (6 ha 23 a 85 qm) der Grafenfamilie   an die Wohngesellschaften  Massiv-Hausbau und Wohnstättenbau  lag das Gelände einige Zeit brach. Das Baugelände wurde nun im Grundbuch mit Lgb. Nr. 40/3 bezeichnet.

Stegen 1968
Auf dem vorliegenden Foto, das am 30. Oktober 1968 entstand mit Blick von der Kirchzartener Straße auf das Gebiet der Ringstraße haben die Maurerarbeiten  neben einem dort aufgestellten Zementsilo  am Bungalowneubau  Haus Ringstr. Nr.13 (Müller) bereits begonnen. Das übrige Gelände ist noch Brachland.

Der Fortschritt der Bebauung war vom Verkauf der parzellierten Bauplätze und deren neuen Besitzern abhängig. Das Baugrundstück des Hauses Ringstraße 17 wurde im Oktober 1968 erworben. Im Oktober 1970 war das Haus verputzt und bezugsfertig. Gehwege, Garagen und Parkplätze wurden nachträglich fertiggestellt. Die Außenanlagen wurden von den jeweiligen Eigentümern gestaltet.

                             Erschließung und Erdarbeiten  in der Ringstraße
Im zeitigen Frühjahr 1969 wurden in Stegen umfangreiche Erschließungs- und Erdarbeiten im Gebiet der Ringstraße durchgeführt. Das vorliegende Foto von  Fridolin Hensler entstand im  Frühjahr 1969 vom Baugrundstück des Hauses Ringstr. 17  in Richtung Ringstraße und Rechtenbach. Auf dem Rohbau des Hauses Ringstr. 13 ist bereits das Dach gedeckt. Über dem abgestellten Pkw ist das Gebäude der Volksschule Stegen erkennbar.
Stegen_Winter_1969

Am linken Bildrand ist ein aus abgehobenem Humus errichteter Wall zu sehen, der zwischen der Hausreihe Weilerstraße 16 und Ringstraße 17 aufgeschichtet war und später für die Gartenanlagen der umliegenden Häuser nach der Planierung des Geländes Verwendung fand.
Dieser Erdwall und das umliegende Baugelände wurde dann zum beliebten Abenteuerspielplatz der Kinder nach dem Einzug der ersten Familien in der Ringstraße. Dort waren schon 1969 die ersten Bewohner mit Kindern eingezogen.

Baugebiet Stegen 1971
Das Jahr 1971 war vermutlich das Jahr mit der stärksten Bautätigkeit und zugleich verbunden mit dem Zuzug vieler Neubürger in Stegen. Auf dem Luftbild vom Sommer 1971 sind bereits bewohnte Häuser in der Ringstraße mit fertigen Außenanlagen erkennbar. Die beiden viergeschossigen Hochhäuser im Großacker sind im Rohbau.
Setegn_Neubaugebiet_1971_SW
Die Doppelhausbauten in der Jägerstraße und die Reihenhäuser in der Andreasstraße sind im Rohbau fertig und bereits mit Ziegeln gedeckt. Das Baugelände für das neue Rathaus ist noch völlig unberührt. Der Gemeindesportplatz mit Hartplatz und Rasenplatz ist in Betrieb genommen. Die Bungalowbauten der IG Teppichbau sind größtenteils vollendet.
Im Großacker ist eine große Fläche noch ohne erkennbare Baumaßnahmen. Auch das Gelände des Vereins für badische Taubstumme ist noch unberührt

Stegen_1974.jpg
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Stegen im Bereich Ringstraße und Weilerstraße mit Rathaus und Schule 1974
Stegen Ringstraße & Weilerstraße mit Rathaus, Kageneckhalle, Kindergarte, ÖZ, Schule 1985
Stegen_1998.jpg
Stegen_2013.jpg
Stegen Ringstraße und Weilerstraße mit Seniorenwohnanlage, Dienstleistungszentrum 1998 Stegen im Bereich Ringstraße und Weilerstraße mit Neubebauung Supermarkt 2013