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Der Bauernkrieg im Dreisamtal
Aus: Kirchzarten Geographie - Geschichte - Gegenwart
Festbuch zur Zwölfhundertjahrfeier
Hrsg. Günter Haselier
Selbstverlag Gemeinde Kirchzarten 1966
Seite 297-343


Die Geschicke Kirchzartens im Rahmen der Geschichte Freiburgs

Die äußeren Geschehnisse wie Herrschaftswechsel, Krieg u.ä. berührten Kirchzarten in gleicher Weise wie alle andern Orte des Breisgaus und des Oberrheingebietes. Man könnte — mit einer Ausnahme — von einer passiven Rolle sprechen, nicht nur wegen des Erduldens der üblichen Leiden von Verwüstungen und Plünderungen, die ein von außen über das Land brausender Krieg jedem Dorf aufzwingt. Auch wenn die Hauptstadt Freiburg aus einer gewissen eigenen Entschließung als Mitglied der vorderösterreichischen Landstände einen Beitrag zu einem Unternehmen bewilligte oder sich an einem kriegerischen Unternehmen beteiligte oder auch nur für einen Regenten ein Fest organisierte: Den Hintersassen auf dem Land fiel nur die Aufgabe zu, die Mittel und auch die Menschen aufzubringen oder höchstens in der Rolle des Zuschauers am Rande der Geschehnisse teilzunehmen. Nur einmal sind unsere Bauern im Dreisamtal selbst Mitgestalter bei einem großen Zeitgeschehen, im großen Bauernkrieg von 1525. Damals schalteten sich auch unsere Kirchzartener samt ihrem Pfarrer aktiv in das Geschehen ein. Es ist das einzige Ereignis, das wir in seinen Wurzeln und Zusammenhängen wie in seinem Ablauf eingehend betrachten müssen. Hier finden wir — zumal uns ein reiches Quellenmaterial erhalten geblieben ist — eigenes Denken und Handeln der Kirchzartener.

a) Die Kirchzartener erleben den Reichstag in Freiburg 1497

Als Zuschauer „auf bevorzugtem Platz“ finden wir unsere Kirchzartener, als Kaiser Maximilian 1498 in seinen Mauern einen wichtigen Reichstag abhielt. Der Rat der Stadt zog nämlich am 29. Mai zu Pferd nach Kirchzarten, um hier die Gemahlin des Kaisers, Blanka Maria, abzuholen und ihr das Geleit nach der Stadt zu geben, wo am Schwabentor die Ehrenprozession wartete; das ist uns genau überliefert. Was Maximilian seiner Lieblingsstadt an Gutem tat, etwa durch Verbesserung des Rechtswesens oder dadurch, daß er den zwei herkömmlichen Jahrmärkten einen dritten hinzufügte, wirkte sich indirekt auch auf Freiburgs Hoheitsgebiet im Kirchzartener Tal aus. Und wenn dieser Reichstag eine „Kaiserliche Ordnung und Satzung“ über die sorgfältige Behandlung des Weins erließ, hatten die Kirchzartener in Anbetracht ihrer zahlreichen Wirtschaften gewiß den ersten Nutzen davon151.

151 EISELE: Alem. Heimat III (1936) Nr. 3

b) Der Schweizer Krieg

Als nach dem Reichstag im Jahr 1499 die Auseinandersetzungen der Habsburger mit den Eidgenossen zum sogenannten Schweizer oder Schwabenkrieg führten, kämpften die Kirchzartener wie immer unter der österreichischen Fahne. Diesmal standen die Freiburger Haufen gegen die kampfgeübten Nachbarn. Unser Kirchzartener Herr, Ritter Hans Dietrich von Blumeneck152, befehligte als oberster Hauptmann das Freiburger Kontingent, das Tiengen bei Waldshut gegen die Angriffe der Eidgenossen verteidigte. Von hier schrieb der Freiburger Hauptmann Ludwig vom Fürst am 11. März 1499 an seine Stadt, sie möge umgehend Geld schicken für den ausstehenden Sold, sonst wäre es nicht mehr möglich, die Leute von Kirchzarten, Zarten Oberried, Kappel, St. Märgen und Littenweiler zu halten. Ganz anschaulich wird die Lage der Truppe durch die weitere Anforderung des Briefes nach 1 zentner bly, 1 veßly bulver.... zwo tunnen hering, 6 sester saltz, 1 malter linsy, 6 sester gersten, 6 sester habermel und ein stürtzel ancken153. Gewährt uns diese Anforderung einen Blick in die Feldküche unserer Landsleute, so läßt
uns der folgende Satz nicht nur die Stimmung der Truppe ahnen. Der Absender bittet die Stadtväter, ihre Weisheit welle hierin nit sümig sin, dann (sonst) wir möchten gar nieman behalten154.

Vermutlich hat der Nachschub nicht genügt. Denn nach der Niederlage bei Dornach kamen die Männer des Freiburger Fähnleins nicht nur ohne Waffen, armselig auf einen Stock gestützt wieder nach Hause, sondern auch barschen kelig, on gürtel, on kappen und hüt,.... . also daß alle mentschen ein sehr mitliden und trurigkeit mit inen hetten155.

152 MONE: Bad. Archiv I (1826) Seite 105. — KINDLER: Geschlechterbuch I, 118.
153 Butter.
154 SCHREIBER: Urk.Buch II, 645.
155 SCHREIBER ebd.


c) Der große Bauernkrieg des Jahres 1525

Was die Söhne unseres Tals auf diese Weise im Dienst der städtischen Herren und der erzherzoglichen Regierung lernten, suchten manche von ihnen bald schon für ihre eigenen bäuerlichen Belange zu verwerten. Gerade die Landsknechte und ihre kleinen Führer, die im wechselnden Dienst vieler Herren die Welt gesehen und die neuen Ideen der unruhigen Zeit um 1500 kennengelernt hatten, wirkten wie Funken, die in aufgehäuften Brennstoff fallen. Solche Heimkehrer waren es, welche die mißverständliche Lehre von der Freiheit des Menschen ihren unvorbereiteten Brüdern nach Hause mitbrachten.

Hier aber fiel der Ruf nach Neuerungen unter eine Gruppe von Menschen, deren äußere Lage einesteils mit der Zeit nicht Schritt gehalten hatte und die andrerseits in ein artfremdes Schema gepreßt werden sollte, das dem juristischen Denken der alten Römer entnommen war.

Die wirtschaftlichen Voraussetzungen

Beim Übergang zweier Zeitalter um 1500 wurde die verhängnisvolle Seite einer allzu unbeweglichen Traditionstreue unserer Vergangenheit deutlich. Die Formen der Organisation des menschlichen Zusammenlebens, vor allem viele Rechtstitel der Abgaben und Leistungen stammten noch aus der Zeit der Naturalwirtschaft. Geldwirtschaft und Städtewesen hatten indessen schon lange Zeit die wirtschaftlichen Verhältnisse umgestaltet, bäuerlichen Kreisen ohne Beseitigung der alten Rechtstitel auch neue Verpflichtungen gebracht. Die alten wurden weitergeschleppt, auch wenn ihre Begründung nicht mehr verstanden wurde und ihr finanzieller Ertrag bedeutungslos geworden war. Wir haben bei unseren Betrachtungen viele solcher Beispiele angetroffen und wollen jetzt diese „Herrenrechte“ noch einmal kurz zusammenfassen. Der Bauer stand einer erdrückenden Fülle von Verpflichtungen ohne Verständnis ausweglos gegenüber.

Der Grundherr war noch die verständlichste Erscheinung. Er beanspruchte als Eigentümer des Bodens einen Teil von dessen Ertrag, dazu bei jeder ncuen Beleihung eine Abgabe, die ihn als Herrn „ehren“ sollte, den „Ehrschatz“.

Der Leibherr war seinem Begriff nach am wenigsten verständlich, dem Wort nach am aufreizendsten. Wir Heutige müssen uns zunächst klar machen, daß wir Leib mit dem umfassenden Begriff von Person übersetzen müssen. Mag im Altertum, bei Germanen wie Römern, die Verfügung über Leben und Tod mit eingeschlossen gewesen sein: im Mittelalter war der Begriff unter christlichem Einfluß zusammengeschrumpft auf ein Verfügungsrecht über die Arbeitskraft, wie es als „Erbuntertänigkeit“ in den östlichen Teilen Deutschlands bis zu den Stein-Hardenbergischen Reformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch bestand. Längst schon hatte sich auch die Rechtspersönlichkeit der abhängigen Leute so entwickelt, daß sie persönliches Eigentum besitzen konnten. Der Anspruch eines Herrn auf den gesamten Nachlaß, zunächst abgelöst durch das „Besthaupt“, war also längst inhaltslos geworden. Trotzdem war die Abgabe beim Sterbefall, kurz der Fall genannt, bestehen geblieben, und zwar häufig ungemindert als eine wirklich drückende Last ohne innere Begründung. Ebenso wenig wurde die Dritteils-Abgabe beim Verkauf noch verstanden. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten begreifen wir dagegen das Wegzugsverbot und auch in etwa den Heiratskonsens, wenn es um die Erhaltung von Arbeitskräften geht. Als eine Übernahme alter Formen für neue Bedürfnisse können wir das Bestreben werten, die „Leibhenne“ und alle andern aus der Leibeigenschaft abgeleiteten Lasten umzudeuten als Grundlasten, für die eben der Inhaber des Grundstücks persönlich aufkommen muß156, Daß diese Leibeigenschaft schon ihrem Wort nach als besonders explosibler Zündstoff wirken mußte in einer Zeit des Umbruchs, welche die Freiheit und Würde der menschlichen Persönlichkeit betonte, liegt auf der Hand.

Der Kirchenherr wird mit seiner zehnprozentigen Ertragssteuer für kulturelle Zwecke so lange von den Pflichtigen verstanden, als der Zehnt tatsächlich in Händen jener Kreise ist, welche die kirchlichen Einrichtungen tragen. Das war im Dreisamtal im allgemeinen der Fall, wo die Johanniter als Zehntherren die Nachfolge St. Gallens übernommen hatten. Aber auch hier hatten manche der kleinen Herrschaften Teile des Zehnten inne, wofür sie allerdings dann auch kirchliche Aufgaben erfüllen mußten. In andern Gegenden war der Zehnt vielfach völlig zweckentfremdet, einfach durch Veräußerung des Zehntrechts; dann wurde auch er von den Pflichtigen als unberechtigte Last empfunden.

Der Gerichtsherr ist seinem Wesen nach als eigentlicher Träger der Hoheit wohl verständlich. Seine ursprüngliche Forderung: Hafer für das Pferd, wenn er zum Gericht kam, war bescheiden und ebenso gerechtfertigt wie die „Wisung“, sein Anspruch auf Herberge. Das Verlangen von Arbeitsleistung, vor allem zunächst Gefolgschaft bei einer militärischen Aufgabe, war zu rechtfertigen als Dienst für den „Herrn“, den Vertreter des Königs bzw. der Gemeinschaft. Wurde aber dieser „Fron“-Dienst157 weiter ausgebaut, so stand hier der Willkür Tür und Tor offen. Dieser verwirrenden Fülle von Herrschaftsansprüchen und zahllosen daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Forderungen, die hier nur angedeutet wurden, stand der Bauer hilflos gegenüber, aber auch verständnislos, da diese Forderungen ihrem Wesen nach einer überholten Wirtschaftsperiode angehörten158.

Die Landesherren waren dagegen eine Bildung der damaligen Zeit. Seit dem späten Mittelalter entwickelten sich einzelne Träger von ehemals königlichen Hoheitsrechten zu Herren über ein Gebiet. Innerhalb dieses „Landes“ strebten sie danach, möglichst alle Herrenrechte in ihre Hand zu bekommen. Die Gerichtsherrschaft und der Wildbann spielten dabei eine Hauptrolle. Gelang einem Herrn die Zusammenfassung aller Rechte, so waren ihm die „Untertanen“ völlig ausgeliefert; so finden wir in der Neuzeit in manchen Teilen Deutschlands die Bauern sogar in einer schlechteren Stellung, als sie das Mittelalter kannte.

Im Kirchzartener Tal scheint sich Junker David von Landeck auf Burg Wiesneck in der Ausübung seiner Herrschaftsrechte am meisten den Haß der Bauern zugezogen zu haben. Es ist anzunehmen, daß dabei auch der Wildbann, d. h. das Jagdrecht eine Rolle spielte. Denn allerorts klagen die Bauern darüber, daß sie gar viel als Treiber in Anspruch genommen werden, selbst jedoch gar nicht schießen dürfen, ja sogar tatenlos zusehen müssen, wie das Wild ihre Ernten zugrunde richtet.  

Wenn wir die Ereignisse in Kirchzarten richtig verstehen wollen, müssen wir sie einfügen in das allgemeine Geschehen. Wir müssen die verschiedenen Erhebungen wenigstens im oberrheinischen Raum andeuten und ihre Ziele sehen und dann den Schwarzwälder Haufen begleiten, bis er sich schließlich in unser Tal ergießt und auch unsere Bauern erfaßt.

Das Denken der Bauern offenbart uns schon 1476 der Pfeiferhans von Niklashausen im Taubergrund. Er fordert Beseitigung aller Obrigkeit, brüderliches Zusammenleben ohne Steuern und Abgaben sowie Gemeinbesitz aller Wälder und Gewässer. Den Bundschuh, das typische bäuerliche Kleidungsstück, wählten die Bauern im Elsaß, die sich 1493 zusammenschlossen, zu ihrem Wappenbild; sie wiedersetzten sich Zöllen und andern Forderungen weltlicher wie geistlicher Herren. Der Bundschuh im Bruhrain ist einer der zahlreichen Bünde, der diesen symbolhaft gewordenen Namen aufgriff; er zählte 1502 in der Bruchsaler Gegend mehr als 7000 Anhänger.

Der Lehener Bundschuh entstand 1513 in diesem zum Freiburger Hoheitsgebiet gehörenden Dorf. Seine Seele war Jos Fritz aus Untergrombach im Gebiet der vorhin genannten Bewegung. Jos Fritz sollte später auch im Schwarzwald und Hegau eine führende Rolle spielen. Der Arme Konrad im Württembergischen ist wohl die bekannteste Fortsetzung der Bruhrain-Unruhen. Ihm stand der bekannte unruhige Herzog Ulrich gegenüber. Ihm gelang es wie allen Landesherren, zunächst die Erhebung niederzuwerfen. Keiner aber verstand es, die Wurzel dadurch zu beseitigen, daß er den berechtigten Wünschen entgegenkam. Erzherzog Ferdinand, der Landesherr von Vorderösterreich, scheint indessen diese Einsicht besessen zu haben, doch verstand er nicht, sie mit der nötigen Tatkraft zu verwirklichen. Wohl schrieb er im Anschluß an die Erhebung in Stühlingen am 28. 10. 1524 an seine Räte, sie sollten besorgt sein, die strittigen Punkte zwischen den Bauern und den verschiedenen Herren und Städten „in ein Verständnis“ zu bringen. Sie sollen umgehend, „wie es unsern Landen und Leuten zu Gunsten wäre, über dieses Verständnis disputieren, es in Schrift verfassen, einen Tag dafür an eine gelegene Malstatt (Gerichtstätte) bestimmen“. Mit einer so getroffenen Vereinbarung, meint der Erzherzog, könne künftigen Unruhen und „Conspirationen und anderem solchem aufrührigem Wesen dest mit ernstlicherm und tapfern Widerstand und mit wenigstem Costen gegegnet werden!5%“, Vermittlungsversuche wurden nun wirklich unternommen, auch von verschiedenen Städten aus. Bis aber der Gedanke des Verhandelns sich verwirklichen ließ, mußte noch das furchtbare Jahr 1525 mit seinem namenlosen Leid und Blutvergießen vergehen.

Unser Kirchzarten wurde erst in diesem Schreckensjahr 1525 in den Strudel der Ereignisse hineingerissen. Einzelne Unternehmungslustige nahmen schon vorher teil an den zahlreichen Zusammenrottungen'!®, Die drohenden Haufen in der Markgrafschaft und im Hochbergischen (bei Emmendingen) bildeten sich jedoch ohne Beteiligung des Tals, wo offensichtlich die zu Freiburg gehörenden Bauern ruhiger blieben als jene unter Landeckscher Hoheit, die sich anscheinend stärker bedrückt fühlten.

156 Am deutlichsten sahen wir dieses Bestreben bei Talvogt Dr. Schwarz in seinen Anmerkungen zur älteren Instruktion. „Leibeigene Leute hat Freiburg im Kirchzartener Tal und auf dem Wald keine.“ Instruktion fol. 13 v. Vergleiche oben Seite 259 Anm. 53. 300
157 fro mhd. der Herr (frowe, Frau, Herrin).
158 Ausführlicher bei M. WEBER: Die Bauern der Klostergrundherrschaft Tennenbach (Freib. Zeitschr. f. G. 37) (1923) Seite 119.
159 SCHREIBER: Urk. I, 111 n. 76.
160 Beliebte Treffpunkte waren die Kirchweihfeste. Ein solches hat Kindhans aus Burg in Todtnau besucht (SCHREIBER: Urk. III, 58 n. 392). — Hans Müllers Haufen war 1524 „mit dem fenle gen Waltzhut uff die kilchwyhe“ gezogen (Lettsch bei MONE II, 46). — Die Kirchweih in Hilzingen war besonders berühmt, sie bildete 1524 den Ausgang für einen Marsch über den Schwarzwald (FRANZ: Bauernkrieg, 170); fürstliche Beamte berichteten darüber nach Innsbruck (SCHREIBER: Urk. I, 81 n. 52). Anschauliche, historisch richtige Schilderung dieser Feste sowie des gesamten Krieges im Schwarzwald in dem Roman von W. MILDENBERGER: Der Hauptmann vom Walde (1954).


Der Schwarzwälder Haufen

Erst der Schwarzwälder Haufen sollte für unser Tal von Bedeutung werden. Diese große Gruppe verfügte nicht nur über den bedeutendsten Führer, Hans Müller von Bulgenbach; bei ihr spielte auch das religiöse Moment als Triebkraft eine besondere Rolle. In diesen Männern lebte noch etwas vom alten Geist jenes Jos Fritz und seinem Bundschuh weiter. In ihren Reihen taucht er auch wirklich als alter Mann mit grauem Bart noch einmal auf, und überall hört man sein Wort, er könne nicht sterben, der Bundschuh habe denn zuvor seinen Fortgang erlangt!161. Das Wirken des Jos Fritz erstreckte sich bis in den Hegau.

Der Schwarzwälder Haufen, dem sich auch Leute aus Kirchzarten anschlossen, hatte sich aus sehr verschiedenen Gruppen gebildet. Da waren die Untertanen der Grafen von Lupfen162, denen es bei ihren Forderungen lediglich um das gute alte Recht ging. Sie wehrten sich um gewisse Freiheiten der Dorfgemeinschaften gegen das Bestreben der gräflichen Landesherrschaft, im Zug ihrer Festigung und ihres Ausbaus die bäuerliche Selbstverwaltung immer mehr einzuschränken. Ferner widersetzten sie sich einer willkürlichen Beschränkung der bäuerlichen Almende und bestimmter, den Bauern noch immer zustehender Rechte in den Wäldern. Immer häufiger werden die Klagen über herzlose Beamte und deren Übergriffe. Es ist bezeichnend für die Denkweise dieser Revolutionäre, daß sie in ihrem Widerstand gegen die dem alten Recht widersprechenden landesfürstlichen Gewaltanmaßungen Hilfe vom Kaiser erhofften163.

Auch die Untertanen der Landesherrschaft St. Blasien pochten auf das alte Recht, wenn sie Abschaffung der Leibeigenschaft, Einstellung bestimmter Dienste und Aufhebung von neueren Abgabeforderungen verlangten. Auf diese Gruppe mag ebenso wie auf die erste die Nähe der freien Schweiz entscheidende Einflüsse ausgeübt haben. Radikaler waren die Hegauer Bauern, die besonders unter der Zersplitterung in Zwergterritorien zu leiden hatten. Als bei dem Kirchweihfest zu Hilzingen 800 Mann versammelt waren, wurde der Ruf laut: „Warum schlagen wir die Herren und Edelleute nicht tot? Sind doch unser viel mehr als ihr!“ (2. Oktober 1524)164. Nicht zufällig bildete diese Gemeinde unweit des Hohentwiel „den Sitz des Widerstandes“, wo sich die Bauern auch weiterhin mehrfach trafen165: Auf der trutzigen Bergfeste hatte sich der aus Württemberg vertriebene  

Herzog Ulrich eingenistet166. Hier sammelte er Kräfte — es sollen mindestens 6000 Knechte und 300 Reiter gewesen sein — um sein Land zurückzuerobern. Vor allem aber sollten ihm die Bauern dabei Vorspann leisten, — während er kurz zuvor im eigenen Württemberg deren Erhebung, den Armen Konrad, grausam niedergeworfen hatte. Trotzdem war unsern Bauern, die durch die hinhaltenden Verhandlungen der Herren mehr erregt als beschwichtigt wurden, die Aussicht auf eine so mächtige Hilfe willkommen, sie schlossen mit ihm verschiedentlich Vereinbarungen ab. Und so wurde unser Schwarzwälder Haufen auch aus dieser Quelle gespeist.

Als geistig führende Gruppe verliehen die Waldshuter, gleichfalls von der Schweiz beeinflußt, den Unternehmungen unseres „Schwarzwälder Haufens“ eine ganz andere Komponente: die religiöse. In Waldshut nämlich wirkte seit 1521 Balthasar Hubmayer167 als Pfarrer, ein Freund Zwinglis. Er sollte sich unter den Reformatoren als Führer der Wiedertäuferbewegung einen Namen machen. Sein Kampf gegen die österreichische Regierung, welche die Reformation unterdrücken wollte, traf sich mit der Erhebung der Bauern gegen die gleiche vorderösterreichische Regierung, die die kleinen Herrschaften gegen die bäuerlichen Forderungen zu schützen versuchte. So zeigte gerade hier die Bauernschaft dem Lesungswort von dem „göttlichen Recht“, das schon unter Jos Fritz, aber mehr im allgemeinen Sinn einer göttlichen Weltordnung, angeklungen war, ein besonders offenes Ohr. Die Schwarzwälder Bauern nahmen nicht nur die alte Forderung, daß die Gemeinde den Pfarrer wähle, in ihr Programm auf, sondern betonten immer wieder, daß sämtliche Verhältnisse nach den Worten der Bibel neu geregelt werden müssen168, Und so verstehen wir, daß der Schwarzwälder Haufen unter der Bezeichnung Christliche Vereinigung ins Kirchzartener Tal kommt.

In christlicher Liebe und brüderlicher Treue fanden sich diese Bauern auf dem Schwarzwald zusammen, dem göttlichen Recht ein Beistand zu tun und Anhang dem heiligen Evangelion169. Nur was an Forderungen ihrer Herren aus der heiligen Schrift begründet werden kann, wollten sie weiterhin entrichten. Mit dieser Grundhaltung stimmt auch die Nachricht überein, daß die herumziehenden Scharen zunächst keineswegs plünderten, sondern im Gegenteil sogar alles, was sie verzehrten, bezahlten170, Übergriffe zeigten sich erst, als die langwierigen Verhandlungen der Bauernvertreter mit den Ausschüssen der Adeligen zu keinen Ergebnissen führten und so die Bauern sich enttäuscht sahen. Taten, die nicht zu verantworten waren, ereigneten sich bei den Erstürmungen von Burgen und Klöstern. Und selbstverständlich fanden sich auch „Mitläufer“ in den Reihen der Aufständischen, denen die ehrlichen Ziele fern lagen und die lediglich im Trüben fischen wollten. In anderen Teilen Deutschlands scheinen die Ausartungen schlimmer gewesen zu sein, Sie veranlaßten bekanntlich Luther und Melanchthon zu ihren Schriften gegen die Bauern171.

Diese verschiedenen Gruppen von Unzufriedenen und Verzweifelten, von Reformern und Umstürzlern, von Streitern für hohe Ideale wie von rachelüsternen Beutemachern fanden einen überragenden Führer in Hans Müller von Bulgenbach, der durch seine imponierende Persönlichkeit aus diesen unorganischen Massen den „Schwarzwälder Haufen“ aufzubauen verstand und darüber hinaus eine Art Führerstellung auch gegenüber den Haufen in der Markgrafschaft, im Breisgau und im Hachbergischen besaß. Aber es dauerte zu lange, bis die Zusammenfassung gelang und der gewaltige Haufen vom Schwarzwald aufbrach. Im aussichtsreichen Jahr 1524 fanden nur Bewegungen auf den Höhen statt, im Dezember sogar bis an die „Falkensteiner Steig172, so daß man schon mit einem Hinabsteigen ins Kirchzartener Tal rechnete. Aber nur die Zierholde, die Männer mit der Werbetrommel, zogen biß gen Kilchzarten173. Im Frühjahr 1525 begann Hans Müller seinen großen Zug, zuerst das Aufrufen und Sammeln kreuz und quer durch den Schwarzwald und dann hinunter ins Dreisamtal und in die Ebene, um auch den Breisgau zum Anschluß an die „Christliche Vereinigung“ zu zwingen.

Hans Müller aus dem unbekannten Bulgenbach im tiefsten Hotzenwald, eine gute Stunde östlich von St. Blasien, war eine geborene Führernatur. Und was ihm noch fehlte, hatte er als Landsknecht in Frankreich gelernt. Imponierend war sein Auftreten: Der rote Mantel, den er über seine Schultern warf, machte die stattliche Persönlichkeit zum Mittelpunkt, wohin er kam. Das rote Barett mit der wehenden Feder muß wie eine Krone von Volkes Gnaden gewirkt haben. Selbst beim gerichtlichen Verhör, als Kindhans den Namen des Hauptmanns aus dem Klettgau nicht einmal mehr nennen kann, rühmt er diesen noch als einen guten Schützen174, so nachhaltigen Eindruck hatte die Treffsicherheit dieses alten Haudegen mit dem kindlichen Gemüt auf seine Anhänger gemacht.

Mit Laubwerk und Bändern verziert war der Wagen, auf dem er nach alter Sitte seine Haupt und Sturmfahne mitführte175. Mit diesen körperlichen Vorzügen verband der Mann, der auch unsere Kirchzartener Bauern zu gewinnen verstand, eine für einen Laien seltene Rednergabe, wie der Chronist hervorhebt. In seinem sonst so knappen Text betont Andreas Letsch, der Notar in St. Blasien, noch zweimal, daß Hans Müller gantz wolberedt undt fürwitzig was (gewitzt, schlau), so daß man seins gleichen redner nit mocht befinden176. Daß Hans Müller den religiösen Gedanken Balthasar Hubmayers und des Waldshuter Kreises nahe stand, geht nicht nur aus seinen Schriftstücken, wie er sie auch an die Bauern in Kirchzarten schickte, hervor. Schon der Bericht über seine Wahl durch die bei Bonndorf versammelten Bauern läßt erkennen, wie hier bei den gutgesinnten Männern der Bewegung das religiöse Moment neben dem sozialen ganz wesentlich war: Als die buren . . . sich ainhellig ratschlags entschlossen hetten, welcher gestalt sy dem ewangelio gewertig und der gerechtigkaitt beystendig sein wölten, machen sy Hansen Müllern von Bulgenbach zu ainem obersten veldthouptman und wolten das evangelium in allen landen sampt der gerechtigkait schirmen. Entspringt der folgende Satz, die Bauern wollten mitund untereinander Lieb und Leid leiden, noch dem Gedanken einer christlichen Brüderschaft, so stehen die folgenden Worte sehr real auf dem Boden der nüchternen Wirklichkeit: Sie wollen der Obrigkeit nicht so hart verbunden sein. Und von sich aus beschließen sie, zu jagen und zu fischen, wo es ihnen beliebt.

Eine gewaltige Strahlkraft muß dieser Mann aus dem Volk besessen haben. Seine zündenden Reden, die Propaganda der Zierholde, die er überall hin sandte, und seine Werbeschreiben führten ihm binnen kurzem eine so stattliche Schar von Streitern zu, daß sein Vormarsch einem Triumphzug glich. Kein Bauer auf dem ganzen Schwarzwald, so wollte man meinen, sei noch zu Hause geblieben. Am 9. April, einem Palmsonntag, schloß sich in Bonndorf der Hegauer Haufen unter seinem Hauptmann Hans Benkler dem Schwarzwälder Führer an, am 12. April öffnete Hüfingen seine Tore, Bräunlingen und Donaueschingen folgten, die Städte Fürstenberg, Wartenberg, Engen und Aach ergaben sich in rascher Folge. Selbst der stolze Herzog von Württemberg befand sich in Hans Müllers Lager und schloß „christliche Brüderschaft“ mit den Bauern, wenn auch in selbstsüchtiger Absicht. Von Radolfzell marschierte der Schwarzwälder Haufen wieder zurück nach Hüfingen, nahm Triberg am 9. Mai, stand zwei Tage später bei Furtwangen und lagerte sich alsbald bei den Abten von St. Peter und St. Märgen ein. Während dieser letzten Etappe vor dem Hinabsteigen ins Dreisamtal verheerte eine Abteilung Hotzenwälder das Kloster St. Blasien, da ihr Hauptmann Kunz Jehle von Niedermühle (Albtal) trotz allen guten Willens und aller Ermahnungen seine 600 Mann nicht vom Plündern und Verwüsten abhalten konnte. Sie bruchten essen und trinken nach thierischem, grobem sytten, liesen den wein im kaer uß, das ainer uber die knoden im wein gieng, und truncken also unsüberlich, das sy kain vernunfft hatten, und lagen in den winckeln wie die unvernünfftigen thier, fiengen an ze plündern, ze nemen und ze rouwen, desgleichen zerschlahen die kirchen, venster, offen (Öfen) bildinussen der hailligen, orglen, tafflen (Ölgemälde) und altaria; die büchern warden ellenklich zerhowen. Desgleichen wesen hat nie kain kriegsmann gesehen noch erlept.177

In Deißlingen bei Rottweil griffen andere rauhe Gesellen aus Hans Müllers großem Haufen einen Villinger, Konrad Negelin, der auf der Seite des Adels im Heer des Schwäbischen Bundes gestanden war, auf, namen im zwen und fünfzig guldin drey roß, hankhten in an ain baum, zogen von im. Er griff nach ainem beymesser, schnitt den strickh ab, kam mit dem leben darvon; bracht man uff ainem karren alher178. Ein Gegenstück zu den Verwüstungen in St. Blasien bildet der Aufenthalt des Schwarzwälder Haufens im Kloster St. Georgen, wo offenbar Hans Müller persönlich dabei war und die Masse in Schach hielt. Andrerseits lag hier vielleicht weniger Zündstoff vor. Hier ging der Abt in Begleitung seiner Mönche den übermütigen Siegern entgegen, lud sie in sein Kloster ein, leerte ihnen Keller und Karpfenteich und bewirtete sie einige Tage köstlich179. Am 1. Mai zog der Haufe dann über Furtwangen nach St. Peter und St. Märgen, wo ebenfalls nichts von Verwüstungen oder Gewalttaten zu hören ist.

161 SCHREIBER: Urk. I, Einl. Seite 25. Die Frau des Jos Fritz stammte aus dem Hegau, vielleicht lebte er selbst zeitweise dort.
162 Burg Hohenlupfen bei Stühlingen, Kreis Waldshut. Vergleiche G. FRANZ: Der deutsche Bauernkrieg (1933) Seite 158 ff.
163 Den Rat, der Kaiser möge in einem direkten Bund mit den Bauern unter Beseitigung aller Zwischeninstanzen eine neue Verfassung aufbauen, gab auch der Kanzler Gatinara seinem Herrn, Karl V. — Auf diese Möglichkeit spielt auch GOETHE in seinem Götz von Berlichingen an.
164 G. FRANZ: Der deutsche Bauernkrieg Seite 158 ff.
165 EBD. Seite 179.

166 Der aus HAUFFS Roman Lichtenstein bekannte Herzog Ulrich hatte nach seiner Vertreibung bei König Franz in Frankreich Dienste genommen. Mit der Entlohnung kaufte er den Hohentwiel, der bekanntlich heute noch württembergisch ist. In seinem Kampf gegen den deutschen Habsburger-Kaiser hatte König Franz in Herzog Ulrich einen wertvollen Vorkämpfer. Vielleicht geht es sogar auf französische Anregung zurück, wenn der Herzog den Aufstand unter den habsburgischen Bauern förderte (FRANZ a. a. O. 169). Dadurch fanden sich zwei Fronten gegen das Haus Habsburg zusammen: die französische und die bäuerliche. So aber bedeutete schließlich die Niederlage des Königs Franz bei Pavia 1525 auch eine Niederlage für den Herzog, der seine Stütze verlor, und indirekt auch für die von ihm geförderte bäuerliche Erhebung. Ohne den Verlust ihres Rückhalts an Herzog Ulrich hätte diese Bewegung vermutlich einen andern Verlauf genommen. So aber brachte dieses blutige Jahr 1525 schon im Sommer auch für die Bauern direkt den entscheidenden Schlag: Die verlustreiche Niederlage in Oberschwaben, } durch den Feldhauptmann des Schwäbischen Bundes, den Truchseß Georg von Waldburg, den sog. Bauernjörg. — Damit war aber auch die Erhebung in unserem Breisgau schon von vorneherein entschieden, ehe sie eigentlich richtig begonnen hatte. Den Bauernführern fehlte aber der politische Sinn, um rechtzeitig noch die Folgerungen aus dieser Lage zu ziehen und das Schlimmste zu verhindern.
167 Balthasar Hubmayer, aus Friedberg bei Augsburg gebürtig, studierte in Freiburg bei dem berühmten Dr. Eck, dem Gegner Dr. Martin Luthers. Eine Zeitlang wirkte er mit Dr. Eck zusammen als Lehrer an der Universität Ingolstadt. Als Domprediger in Augs  burg leitete er dort die Vertreibung der Juden. Mit der Wiedertäuferbewegung dürfte Seite 171 Hubmayer in Berührung gekommen sein, als Thomas Münzer 1524 bei Oekolampadius 171 LUTHER: in Basel weilte und von diesem in den Hegau und an den Hochrhein geschickt wurde, wollte er wo er um die Jahreswende von Grießen aus mehrere Monate wirkte. Nach seiner Flucht aus Bauernscha Waldshut wurde er schließlich gefangen genommen, in Wien als Aufwiegler angeklagt (1525). und am 10. 3. 1528 verbrannt (nicht 1527, wie FRANZ a.a.O. Seite 228 irrtümlich angibt). 172 Villinger C Über den Anteil Hubmayers an den Bauernartikeln, vergl. FRANZ a.a.O. Seite 166 ff, 173 Elben: Vo Seite 219 und später.

168 „unseren herren zuo thuon alleß, daß wir ynen schuldig sind zuo thuon nach lutt dem gottlichen rechten und ußwysen der gettlichen geschrift“ sei ihr Will und Begehren. So schreiben die Schwarzwälder Haufen am 20. April 1525 an das kaiserliche Kammergericht. BAUMANN, Akten zur Gesch. des Bauernkrieges Seite 250 Nr. 239.
169 Aus der Rechtfertigungsschrift der Bauern an das kaiserliche Kammergericht vom 20. 4. 1525. BAUMANN a.2.0.
170 ,...und wo sy hinkomend, da ließen sy ir beschwertt lesen und horn (hören), und begertend niemand nut zuo thuond, und zallten, was sy trunckend und außend (aßen).“ Rasch wuchs der Schwarzwälder Haufen, am 10. Oktober 1524 war er schon 31/2 tausend Mann stark. HUG: Villinger Chronik Seite 100. — Für diese ganzen Züge: FRANZ, Bauernkrieg Seite 171 ff.
171 LUTHER: „Wider die mörderischen und reubischen Rotten der Bauern.“ (1525). Zuvor wollte er vermitteln mit seiner Schrift: „Ermahnung zum Frieden auf die Artikel der Bauernschaft.“ — „Eyn schrifft Philippi Melanchthon wider die artickel der Bauerschaft.“ (1525).
172 Villinger Chronik ed. MONE, Quellensammlung II, 93.
173 Elben: Vorderösterreich Seite 125. — ... ließen den zürnheldt gehen biß gegen Külch zarten (Hug. Villinger Chronik Seite 106).
174 SCHREIBER: Urk. III, 58 Nr. 392 a.
175 SCHREIBER, Gesch. d. Stadt Freiburg III, 274.
176 Chronik des A. LETTSCH, ed. MONE, Quellensammlung II, 46.

177 LETTSCH a.a.0. Seite 48.
178 Villinger Chronik ed.MONE II, 96.
179 SCHREIBER: Taschenbuch Seite 242.



Der Anschluß Kirchzartens: Inzwischen war eine förmliche Aufforderung des obristen Hauptmanns an Den ersamen, wysen, erbaren bescheidnen Vogt, und Gericht und gantzer Gemeind mit allen ihren Zugehörenden zu Kirchzarten im Dorff und Thal unseren Nachpuren (Nachbarn) und Brüdern ergangen mit der Aufforderung, sich der christlichen Vereinigung umgehend anzuschließen180. Der Wortlaut dieser Einladung atmet deutlich den Geist Hubmayers, von dem vermutlich der beigefügte Artikelbrief verfaßt ist181. Dieser Artikelbrief des Schwarzwälder Haufens bildete sozusagen die Vertragsurkunde, für deren Programm der Haufe ins Feld zog. Allerorts wurden diese Artikel von den Zierholden verlesen, wenn sie werbend durch die Dörfer auf dem Wald und bis hinab ins Kirchzartener Tal zogen, wo sie überall offene Ohren fanden. Persönlich gefaßt waren dagegen die Aufforderungen an die einzelnen Gemeinden, die unmittelbar zum Beitritt in die Bruderschaft aufriefen. So schreibt Hans Müller, oberster Hoptmann, samt andren Hoptlüten und Räten von dem gantzen Huffen am 8. Mai an Kirchzarten: Frid und Gnad sig Euch von Gott, durch Christum Jesum, ersamen wysen erbaren bescheidnen Vogt und Gericht, ouch ein gantze Gemeind, mit sampt allen Euweren Zugehördenden und Mitbürgern. Euch entbüt ein heller Huff der christlichen Versammlung und Vereinigung ihren willigen Dienst und brüderliche Trüw, und vermahnt Euch all in christenlicher Lieb dem göttlichen Rechten einen Bystand zu thund und Anhang dem heiligen Evangelium. Deß begern wir ein Antwurt schnell on allen Verzug, und sind diß ermant zum ersten
Mal. Evangelium! Evangelium! Evangelium! Hans Müller oberster Hoptmann, samt andren Hoptlüten und Räten und dem gantzen Huffen.

Ein ähnliches Schreiben wurde an die Stadt Freiburg gerichtet, die ebenfalls eingeladen wurde, der christlichen Bruderschaft beizutreten. Das Schreiben ist vom 8. Mai datiert, als sich Hans Müllers Hauptquartier noch bei Vöhrenbach auf dem Schwarzwald befand. Es beweist die planvolle Organisation des Unternehmens.

Den tiefsten Eindruck in Kirchzarten, sogar auf den Ortspfarrer, machte der Artikelbrief182. Er läßt die gedankliche Grundlage erkennen, auf der die geistigen Führer dieser Bewegung aus religiösen, juristischen, sozialen, wirtschaftlichen und verfassungsmäßigen Gründen eine Neuordnung aller Verhältnisse anstrebten. Wer im gegenwärtigen Jahrhundert die Jahre zwischen den beiden Weltkriegen bewußt miterlebt hat, wird es nachempfinden können, welche Fülle verschiedenen Reagierens es auch in Kirchzarten auslöste, wenn dieser Artikelbrief verlesen und in allen Wirtshäusern und an jeder Straßenecke besprochen wurde:

Ersamen, wysen, günstigen Herrn, Fründ und lieben Nachpurn! Dwyl (dieweil) bishar große Beschwerden, so wider Gott und alle Gerechtigkeit dem armen gemeinen Mann, in Stetten und uff dem Land, von Geistlichen und Weltlichen Herren und Oberkeiten uffgelegt woren, welche sie doch selbs mit dem wenigsten Finger nit angerürt haben, ervolgt, daß man sölch Burden und Beschwerden lenger nit tragen noch gedulden mag, es wölle dann der gemein arm Mann sich und sine Kindskind gantz und gar an Bettelstab schicken und richten.

Demnach ist der Anschlag und Fürnemen diser christlichen Vereinigung mit der Hilff Gottes sich ledig zu machen und das als vil (so viel) es möglich, on alle Schwertschlag und Blutvergießung, welches dann nit wohl sein mag on brüderliche Ermanung und Vereinigung in allen gepürlichen sachen, den gemeinen christenlichen Nutz betreffende, in disen byligenden Artikeln begriffen.

In183 diesem Sinn wendet sich dann das Schreiben mit früntlicher Bitt und brüderlicher Ersuchung an alle Bauern, sich dieser christlichen Vereinigung anzuschließen, damit gemeiner christlicher Nutzen und brüderliche Liebe wieder aufgerichtet werden. Denn damit geschehe der Wille Gottes in Erfüllung seines Gebotes von der brüderlichen Liebe. Im weiteren steigern sich die Verfasser in ein Sendungsbewußtsein, das an jene Führer der Wiedertäuferbewegung, die wenig später in Münster einen kommunistischen Idealstaat unter dem Schneider Johann von Leiden errichteten, erinnert. „Kraft dieses Briefes“ tun sie jeden in den weltlichen Bann, der diese Aufforderung abschlägt, bis er zu der richtigen Einsicht kommt und beitritt. Der Sinn dieses weltlichen Banns — die Anlehnung an die vom Kaiser ausgesprochene Reichsacht und den päpstlichen Kirchenbann ist unverkennbar — besteht zunächst darin, daß die Angehörigen der christlichen Vereinigung mit diesen keine Gemeinschaft pflegen dürfen, also mit ihnen „weder essen, trinken, baden, mahlen, backen, ackern oder mähen, noch ihnen Speise, Korn, Trank, Holz, Fleisch, Salz oder sonst etwas geben, verkaufen oder von ihnen kaufen“ dürfen. Als „abgeschnittene, gestorbene Glieder“ sollen diese Unverständigen außerhalb der Gesellschaft unbeachtet bleiben. Märkte, Weide, Wald und Wasser bleiben ihnen gleichfalls verschlossen. Und wer dieses Verbot bricht und mit den Ausgeschlossenen Verbindung hält, verfällt selbst dem Bann.

Der folgende Programmpunkt zeigt die sozialrevolutionäre Seite der Bewegung unseres Hans Müller: Da „aller Verrat und alles Verderben ıß Schlössern, Klöstern und Pfaffenstiften“ komme, werden diese in ihrer Gesamtheit in den Bann getan. Wer jedoch aus diesem Kreis des Adels, der Mönche und Pfaffen freiwillig absteht von Schloß und Kloster, in gewöhnliche Häuser zieht und sich der christlichen Vereinigung anschließt: der wird mit seinem Hab und Gut freundlich angenommen. Doch folgt der Pferdefuß einer höchst willkürlichen Ausdeutung: sie dürfen behalten ohne allen Eintrag alles, was ihnen von göttlichen Rechten gepürt und zugehört. Eine greifbare Handhabe für alles willkürliche Vorgehen bietet schließlich die Endbestimmung, daß alle, so die Find dieser christlichen Vereinigung behusen, fürdern und unterhalten, selbst dem Bann verfallen.

Dieser Ruf zu einer sozialen und religiösen Neuordnung aller Verhältnisse fiel im ganzen Breisgau auf einen empfänglichen Boden. Er trug in die seit Jahrzehnten schwelenden Bundschuhunruhen, die wesentlich wirtschaftlich orientiert waren, den religiösen Gedanken neu hinein. Ohne diesen Zusammenhang war aber auch der Ruf nach religiösen Neuerungen hier, im Strahlungsbereich der Reformkonzilien, des Basler Humanismus und der Schweizerischen Reformatoren besonders lebendig seit einem Jahrhundert. Der Kampf gegen einen radikalen religiösen Umsturz wie gegen eine wirtschaftlich-soziale Revolution bildete schon länger die Doppelaufgabe der habsburgischen Regierung. Wenn jetzt beide Strömungen zusammenflossen, wurde die Lage der vorderösterreichishen Kammer in Ensisheim ebenso schwierig wie die Verhältnisse in den verschiedenen Städten, wo der Riß nun quer durch die Bevölkerung ging.

Der Streit um Pfarrer Other in Kenzingen184, der dort schon deutschen Gottesdienst und das Abendmahl unter beiderlei Gestalten eingeführt hatte, war nur eines der zahlreichen Beispiele, das des Pfarrers Andreas Metzler in Niederrimsingen zeigt den nächsten Schritt des religiösen Neuerers ins Lager der aufrührerischen Bauern.

Kirchzartens Pfarrer Ulrich Wesener185 gehört ganz zu dieser Gruppe. Vielleicht erklärt seine Herkunft aus dem Schweizerischen Glaris seine Hinneigung zur neuen Lehre. Schon für die Geschichte unseres Ortes ist es von höchstem Interesse, einen so lebendigen Einblick in das aufgeregte Geschehen der 1520er Jahre zu bekommen. Pfarrer Wesener ist aber auch über den örtlichen Rahmen hinaus wichtig, weil er selbst in seinem Verhör von 1525 berichtet, was er an neuen Gedanken gepredigt habe. Da wir geistige Bewegungen im allgemeinen nur in Städten verfolgen können, ist dieser Fall des Kirchzartener Dorfpfarrers von allgemeinem Interesse. Umgekehrt können wir aber auch aus diesem Vorkommnis ersehen, daß Kirchzarten, wiewohl es immer Dorf blieb, auch in der Persönlichkeit des Ortspfarrers wesentlich über das dörfliche Niveau hinausragte, wie wir mehrfach auch sonst beobachten können. Pfarrer Ulrich Wesener war mit den neuen, die Welt bewegenden Gedanken der Reformer durchaus vertraut, wenn er seinen Gläubigen uf unsers Herrgotts Tag (Fronleichnam) geredt von der Meß und Sacrament, daß die Meß nit sey ein Opfer wie es bisher von ettlichen gehalten; sunder nur einmal sei Christus für uns uffgeopfert an dem heiligen Krütz genug thon für all unser Sünd biß an das Endt der Welt. Also Paulus klärlich lert zu den Hebräern an dem 9. und 10. Capitel. Auch hab ich gelert, daß min Volk die Gestalten im Sacrament, die sie sehend, nit sollendt anbeten, sunder allein Gott, welchen Niemand sehen mag, darunder vergriffen. Wesener verwahrt sich aber in dieser Rechtfertigungsschrift vom 9. August 1525 energisch gegen die Verleumdung, er habe gelehrt, daß in der Meß in der Gestalt des Brods und Weins nit sey weder das Fleisch noch Blut Christi, da er dieser Meinung nie gewesen sei und es nie werden wolle. Er gibt jedoch zu, daß villicht dis Materi dem gemeinen Volk zu schwer ist, und also uß sollichen Worten mini Mißgönner mich nit recht verstanden und mich also versagt mit der Unwahrheit! Wesener ist bereit, seine Untertanen zu Zeugen aufzurufen, daß er nichts anderes gesprochen habe als das soeben Zugegebene. Ebenso leugnet er ab, die Bauern gestärkt zu haben, daß sie mit ihrem Unternehmen im Recht seien. Wenn wir auch diesen Versicherungen Glauben schenken wollen, so geht zumindest daraus hervor, daß sich die Bauern mit ihrem Seelsorger über den Artikelbrief, die Aufforderung zur Teilnahme und überhaupt die ganze Bewegung besprochen haben. Und dabei hat er anscheinend ihnen nicht energisch abgeraten. Sonst hätten sie ihn auch nicht veranlaßt, mit ihnen zu ziehen, wenn dies auch nur „gezwungen und gedrungen“ geschehen sei. Es spricht in der Tat für ein gutes Gewissen des Pfarrers, daß er später, nach dem Zusammenbruch der ganzen Bewegung, als man ihn in Freiburg der Teilnahme am Aufstand beschuldigte, dringend bat, sich rechtfertigen zu dürfen: so will ich mich verantwurten, ...daß ihr ein gut Vergnügen (Befriedigung) werden habend186.

Dieser Anklagepunkt gegen Pfarrer Wesener findet eine Ergänzung in dem Geständnis des Jakob Ziler187, daß Kindhans, Mentz und der pfaff von Kirchzarten alle handlung mit den panern ab dem wald, das sy herabkommen, verhandelt. Wenn wir die zwei Wörter das sy nicht als Schreibfehler für da sy ansehen wollen, so hätte also der Pfarrer sich schon an den Verhandlungen beteiligt, die den Durchmarsch durch das Kirchzartener Tal vorbereiteten. Dafür, daß Verhandlungen zwischen Leuten von Kirchzarten mit dem Haufen Hans Müllers schon längere Zeit stattgefunden haben, liegen mehrere Beweise vor. Da die Nachrichten über Einladungen zum Zug ins Dreisamtal und Abraten sich widersprechen, dürfen wir wohl als natürliche Gegebenheit annehmen, daß die Meinungen über die „Befreier“ in Kirchzarten ebenso geteilt waren wie in Freiburg selbst. Einerseits versichern Vogt und Meier und ein arme Gemein im Kilchzarter Thal als willige Unterthon ihren ersamen, wisen, günstigen Herren, dem Magistrat in Freiburg, daß die Behauptung, sie hätten Artikel „an die Schwartzwelder“ geschickt, eine lügnerische Erfindung sei, um zwischen ihnen und der vorderösterreichischen Regierung Uneinigkeit zu säen. Den gleichen Hintergrund habe auch die Behauptung, sie hätten die Schwarzwälder ermuntert, zu ihnen herabzuziehen. Ebenso „erdacht“ sei der Vorwurf, daß wir gemant von den Schwartzweldern By Eids Pflicht, ihnen zuzeziehen, wobei gewiß nur die Eidespflicht abgestritten werden soll, da diese eben eine vorausgehende Abmachung beweisen würde; für die mehrfache Aufforderung zum Anschluß lagen genug Beweise vor, die an sich keine Belastung bedeuteten188 Diesem Versuch, sich reinzuwaschen, stellt die Stadt am 23. Juli eindeutige Anklagen gegenüber, als sich das benachbarte Basel vermittelnd zwischen die Freiburger Stadtherren und die Kirchzartener Bauern auf deren Hilferuf einschalten will: Wo die unsern (unsere abhängigen Bauern im Tal) nit gewesen, wär Hans Müller mit seinem Haufen nit ab dem Wald herabgezogen. Und ausgerechnet die Talbauern seien die ersten gewesen, die zu dem Schwarzwälder Haufen übergegangen seien und sich eifrig bei der Belagerung Freiburgs betätigt hätten. Aus den folgenden Vorwürfen geht eindeutig hervor, daß schon Monate vorher bei den verschiedenen Zügen und Belagerungen, die Hans Müller durchführte, Kirchzartener Untertanen dabei waren189. Andrerseits wieder können die jetzt der Zusammenarbeit mit dem Diktator Hans Müller angeschuldigten Bauern der Stadt entgegenhalten, daß sie sehr wohl bei ihr angefragt hätten, was sie tun sollten. Die Stadt habe aber damals weder Rat noch Hilfe bieten können, „so selb von der Bursame belegert“. Wir wissen aus dem vielseitigen Briefwechsel, daß Freiburg allen Städten und Herren die Hilfegesuche abschlagen mußte, da sich seit längerer Zeit schon die verschiedenen Bauernhaufen aus dem oberen und unteren Breisgau um die Stadt zusammenzogen. So mußten die armen Kirchzartener auf eigene Faust handeln. Deshalben190 sie us nottrunglicher Ursach, als die so nit mit starcken Vestinen bewahrt, ihre Hüser unverprennt, Wyb und Kind zu verhüten gneigt, haben sy als die keinen Trost noch Hilff von Niemanns gewyst, auch für sich selb der Macht nit, der Pursame (Bauernschaft vom Schwarzwald) sich ze erweren gewesen, sie der Pursame huldigen und ihr Bruderschafl annehmen müssen.

Diese Angaben aus den späteren Berichten zeigen deutlich genug, wie unsicher die Lage für Kirchzarten wie für den ganzen Breisgau im Frühjahr 1525 gewesen ist; Vorwürfe hinterher sind jederzeit leicht und billig. Seit Ende 1524, als der Haufen schon bei Breitnau an der Steig lag, mußte man mit dem Einmarsch ins Dreisamtal rechnen. Noch reger als die Beziehungen der Bauern zu den Schwarzwäldern war der Kundschafterdienst, den Freiburg zur ständigen Orientierung über die Lage eingerichtet hatte. So wußte Freiburg über die drohende Gefahr Bescheid. Die Städte hielten untereinander und mit der Regierung in Ensisheim stets Fühlung. Einer hoffte auf den andern, überall jedoch herrschte die gleiche Ratlosigkeit, da es ebenso an Mitteln wie an einer straffen Organisation fehlte. Wohl half man sich gegenseitig aus, gelegentlich auch mit einer Schar Landsknechte. So mußte z. B. unser Kirchzartener Jakob Ziler im Dienst der Stadt, seiner nächsten Herrschaft, mitziehen, als diese im Dezember 1524 dem bedrängten Münstertal191 und St. Trudbert ein kleines Kontingent zu Hilfe schickte. Aber hierbei mußten die Stadtväter erkennen, wie schwach ihre eigene Lage war: Jakob Ziler fragte in wenig untertanenhafter Weise, gegen wen er kämpfen müsse; gegen Bauern würden er und seine Gesinnungsgenossen nicht fechten. Entsprechend war ihr Verhalten: Als ihre Truppe auf Befehl des „Regiments“, d. h. der Ensisheimer Regierung, nun wirklich nach St. Trudbert marschiert waren, führte ihr erster Gang in den Keller. Bei einem Feuer vor dem Tor haben die Gesellen das Faß mit win, das sie herusgezogen, unnutzlich verschwendt und ustrunken192.

In diesem Jakob Ziler aus Kirchzarten haben wir ein Beispiel für jene Mitläufer aus der bindungslosen Gesinnung eines Landsknechts, wie sie sich bei allen Revolutionen finden. Ganz folgerichtig scheint Jakob Ziler seinen Dienst und die Stadt bald verlassen zu haben. Er taucht nachher als Führer jener Bauern auf, die im Kirchzartener Tal plündern. Wenn der Bericht sagt, er habe sich am Vieh des Klosters St. Märgten vergriffen, so möchte man daraus entnehmen, daß er sich dem großen Haufen schon angeschlossen hat. als dieser noch auf dem Schwarzwald weilte. Auch andere Andeutungen weisen darauf hin, daß noch mehr Männer aus unserem Tal den Zierholden gefolgt sind, als diese mit ihrer Werbung im Lauf des Winters herabgestiegen waren. Nachdem Ziler noch bei mehreren Gewalthandlungen der Bauernscharen beteiligt war, ereilte ihn im folgenden Jahr das Schicksal: am 2. Mai 1526 steht er vor Gericht, und wenn nicht alles täuscht, kosteten seine Taten ihm den Kopf193.

180 SCHREIBER: Urk. II, 89 Nr. 217 a.
181 Nach Hubmayers Flucht aus Waldshut fanden sich Entwürfe. FRANZ: Bauernkrieg, 219.
182 SCHREIBER II, 87 Nr. 217.
183 Im Interesse einer leichteren Lesbarkeit wird der folgende Text gekürzt wiedergegeben in Anlehnung an FRANZ: Bauernkrieg, 218.
184 HARTFELDER, 269,
185 SCHREIBER, Urk. III, 80 Nr. 411.

186 SCHREIBER: Urk. III, 80 Nr. 411.
187 ZGO 34 (1882), 456.

188 SCHREIBER: Urk., III, 7 Nr. 377 vom 9. 7.1525.
189 EBD. III, 61 Nr. 395.
190 SCHREIBER: Urk. III, 60 Nr. 394.

191 Im Dezember 1524 war ein Teil des Schwarzwälder Haufens ins Münstertal herabgestiegen, um von hier aus weiter in den Breisgau vorzustoßen. Die von der Regierung in Ensisheim zusammengebrachten Truppen trieben diese Scharen jedoch wieder auf den Wald zurück. Bericht des Schreibers des Truchsessen Georg zu Waldburg, ed. BAUMANN, Quellen z. Gesch. d. Bauernkriegs (1876), 531. Vergleiche A. ELBEN: Vorderösterreich u.s. Schutzgebiete im Jahr 1524, Seite 132 ff.
192 HARTFELDER, 280. Wörtlih ZGO 34 (1882), 457.
193 ZGO 34, 457 Geständnis des Jakob Ziler, auch auf dem Umschlag des Originals. Wenn dann folgt... ist Hannsen Ziler das houpt abgeschlagen worden, möchte man einen Schreibfehler vermuten, vielleicht von dem gebräuchlichen Doppelnamen Hans-Jakob herrührend.


Einen weiteren Hinweis für die unklare Lage in Freiburg, aus der heraus Kirchzarten die erbetenen Anweisungen für sein Verhalten nicht erhielt, bietet der Freiburger Metzger Martin Sutter. Entgegen seiner Treueverpflichtung gegenüber der Stadt zettelte er unter den Zünftigen eine Verschwörung an. Diese wird entdeckt, Sutter kommt ins Gefängnis, wird aber, nachdem er am 8. März Urfehde geschworen hat, wieder entlassen. Diese Unsicherheit in der eigenen Stadt, wo die unteren Schichten (wie auch in andern Städten) der Reformbewegung vielfach zuneigten, wirkte sich dann bei der Belagerung im Mai so drohend aus, daß wesentlich durch diese inneren Widerstände die Ratsherren zusammen mit dem Adel und den anwesenden Prälaten bestimmt wurden, zu kapitulieren194.

Der Bauernhaufen in Kirchzarten: So mußte die Talschaft also selbständig handeln, als am 13. Mai 1525 die Massen des Schwarzwälder Haufens von Furtwangen über St. Peter herab das Gebiet von Kirchzarten erreichten195. 1500 Mann betrug ihre Stärke, wie Kindhans später beim Verhör angibt196

Wir können aus dem Erleben der letzten Jahrzehnte uns ein Bild der Aufregung ausmalen, die dieser Einmarsch des Schwarzwälder Haufens in Kirchzarten und den andern Dörfern des Talgangs auslöste. Allein schon die Frage der Verpflegung! Allem Anschein nach ging es einigermaßen geordnet zu. Wir dürfen wohl vermuten, daß diese wirtschaftlichen Fragen durch den Vogt der Gemeinde besorgt wurden. Daneben aber erscheinen Kindhans Vater und Sohn, Hans Mentz von Burg sowie Pfarrer Wesener von Kirchzarten als Unterhändler. Ein Rädelsführer der Unzufriedenen war Jakob Ziler. Die Gemeinde Kirchzarten hatte ihn schon zuvor zu eim amasadt (ambassadeur, Gesandten) gemacht, der als Führer einer Abordnung der unzufriedenen Kirchzartener mit dem Stadtrat in Freiburg verhandeln sollte, und ein rat helfen dahin zu bringen, das sy irs gefallen handlen mussen. Als nun die Bauernschaft vom Wald herabgekommen war, da wurde er von ihnen allen zu eim weibel gemacht. Er nahm dieses Amt eines Feldwebels an, half die Wachen zu besetzen, ratschlagen und handeln, alles wie er in seinem Verhör im Mai 1526 zugibt, wider ein ersamen rat und die statt197.

Inzwischen hatte Hans Müller von Bulgenbach sein Hauptquartier in Kirchzarten aufgeschlagen. Der Bauernschaft blieb keine andere Wahl, als sich anzuschließen. Sofort wurden Boten nach Freiburg geschickt, der Gemeind in der Stadt Freiburg, unsern lieben Brüdern und guten Freunden zu Handen einen Brief zu überbringen als schriftliche Wiederholung der Antwort, die die Hoptlüt und Rät des Hufen uff dem Schwarzwald schon den Abgesandten der Stadt erteilt hatten, als diese im Namen des Magistrats in das Hauptquartier gekommen waren, um zu fragen, aus was Ursachen wir hier liegen und also im Land umziehen. Dieses Antwortschreiben198 gibt zunächst die Begründung des ganzen Unternehmens: daß ein arme Gemeind in Städten und auf dem Land überlait (überlegt, überlastet) ist mit dem Gewalt und mit unziemlichen Übernahmen, daß wir keinswegs mehr beston werden. Den Herren in Freiburg seien die Schindereien doch auch bekannt, und so nimmt es uns fremd, daß ihr unterstand (Euch untersteht), den Herren beholfen zu seind, uns arme Bürly auf dem Land (zu) zwingen, sollich Gewaltsame noch länger zu dulden. Nun folgt der Hinweis auf den großen Schaden, der droht von Gott und von der Welt, wo man das Wort Gottes wöllt hindern und abstellen. Ohne irgendwelche näheren Ausführungen, wie die Neuerer diese Umstellung aller Verhältnisse durchzuführen gedenken, folgt dann die Einladung zum Beitritt in die Organisation, die sich zu dieser Neuordnung berufen fühlt. Darauf ist unser freundlich Begehr und Ansuchen, daß Ihr Euch zu uns verbinden in unser Bruderschaft, brüderliche Liebe zu machen, mit einem ewigen Frieden nach dem Wort Gotts des Allmächtigen und auch das Evan- gelium ausweist, und das göttlich Recht zu handhaben. Die in Kirchzarten versammelten Hauptleute bitten um eine schriftliche Antwort auf diese Einladung.

Da der Bote keine Antwort zurückbrachte, ergeht noch am gleichen 14. Mai ein weiteres Schreiben: (Da) wir mit unsrer Macht zu Kilchzarten liegen... . Die Hauptleute sind über das Ausbleiben der Antwort befremdt, denn unser Meinung ist nicht, einer Stadt Freiburg ein Schaden zufügen. Noch ist die Verbrüderung „unser Bitt und Begehr. Wo aber Ihr Euch nit wöllten verbrüdern und in ein Frieden vereinigen, mögen wir wol gedenken eines Unfrieden und begehren nach einer Antwort bei diesem Boten. Datum in yl (Eile) zu Kilchzarten uf Suntag, den man nennt Cantate199

Freiburg suchte in seinen Antworten auszuweichen, wohl in der Hoffnung, daß noch irgendwoher, etwa durch den Schwäbischen Bund, Hilfe komme. So wird das Ausbleiben der Antwort am ersten Tag damit erklärt, daß die große Stadt nicht so rasch eine allgemeine Beratung durchführen könne. Am 15. Mai200 ist die Treue zu Eiden, die an Österreich binden, der Grund für weiteres Verzögern?201, In der dritten Aufforderung danken die Schwarzwälder zwar für das Anerbieten, daß die Stadt vermitteln wolle zwischen den Bauern und den einzelnen Herrschaften. Sie dringen aber verstärkt auf eine sofortige klare Entscheidung202. Wir verstehen diese Eile sehr wohl, denn eben in diesen Tagen konnte der Truchseß von Waldburg mit dem Heer des Schwäbischen Bundes bei Böblingen einen Sieg erringen; Weinsberg war schon bedroht. Aus dem gleichen Grund suchte natürlich Freiburg die Verhandlungen hinzuziehen. Die Stadt steigerte insofern ihre Bedingungen, als sie das Verhandeln davon abhängig machen will, daß der Haufe in Kirchzarten verbleibe und nicht weiter gegen Freiburg vorrücke. Vor allem will die Stadt die Vereinigung der Schwarzwälder mit den übrigen Haufen verhindern. Hans Müller hinwider lehnt es mit samt andern Hauptleuten und Räth der heilgen evangelischen Haufen ab, ohne die Brüder im Breisgauer Haufen zu verhandeln. Er fordert jetzt umgekehrt, Freiburg möge 6 Ratsherren und 6 Männer aus der Gemeinde zu weiteren Verhandlungen nach Kirchzarten schicken.... und dürfen nicht weit reiten oder gehen, dann wir wollen auf diesen Tag näher zu Euch hausen203. Vielleicht hat sich dieses Schreiben am 16. Mai gekreuzt mit dem Freiburger vom gleichen Tag, worin die Stadt einen Vertrag ablehnt und rät, wieder abzuziehen, damit so möchten Ihr und ander doch zu euwern Wib und Kinder komen und in Friden leben204. Damit waren die Verhandlungen praktisch gescheitert, beide Schreiben bedeuten klare Absagen.

194 SCHREIBER, Gesch. d. St. Freiburg III, 281. Ebd.: „Wurde die Bürgerschaft versammelt, so erhoben sich schon Stimmen für die Bauern: ihre Sache sei eine heilige, sie werde Fortgang nehmen. Erst als wir bei unseren eigenen Wachen über die Mauern hinaus allerlei Untreue wahrnahmen, haben wir uns veranlaßt gefunden“ (zu kapitulieren).
195 Villinger Chronik, ed. MONE, Quellen II, 97.
196 SCHREIBER: Urkunden III, 58 Nr. 492 a.
197 HARTFELDER: Urkundl. Beiträge zur Gesch. des Bauernkriegs. ZGO 34 (1884) S. 456.
198 SCHREIBER, Urk., II, 100 Nr. 229.
199 EBD. II, 101 Nr. 230
.

200 SCHREIBER, Urk. II, 102 Nr. 231.
201 EBD. II, 103 Nr. 232.
202 EBD. II, 103 Nr. 233.
203 EBD. II, 109 Nr. 238.
204 EBD. II, 109 Nr. 239.

 Plünderungen im Kirchzartener Tal: Hans Müller hatte noch andern Grund zur Eile. Er selbst deutet einmal an, daß es schwierig ist, die Massen ruhig beisammenzuhalten. Selbstverständlich waren die wenigsten von den Idealen ihrer Führer durchdrungen. Rache oder Beutegier waren zu allen Zeiten leitende Eigenschaften. So machte sich alsbald eine Schar auf, die Burg des Junkers David von Landeck zu brechen. Die Bauern dieses Herrn von Wiesneck scheinen besonders unzufrieden gewesen zu sein. Seine Untertanen gehören zu den Leuten des Dreisamtals, die länger schon Fühlung mit dem Schwarzwälder Haufen hatten. Schon am 10. April hatte Freiburg als Ergebnis seiner Kundschafter weitermelden können: „daß Davidtz von Landecks Unterthanen hefftig daruff dringen, den Huffen in das Bryßgow zu bewegen205. Die gleichen Leute mögen die Führung gehabt haben, als eine Gruppe der „Christlichen Vereinigung“ schon gleich nach der Ankunft im Tal aufbrach, die Wiesneck stürmte, plünderte und sie niederbrannte. Das geschah schon am 14. Mai, am Sonntag Cantate206. Die Beute wurde nach Kirchzarten verbracht, wo im Herbst des Jahres auf Befehl der Ensisheimer Regierung die Hakenbüchsen, welche die aufrührerischen Bauern auf der Burg Wiesneck mitgenommen hatten, für ihren Eigentümer wieder sichergestellt werden207

Ihr nächstes Ziel fanden die abenteuerlustigen Gesellen nach der Villinger Chronik bei einem Abstecher ins Elztal208. Inzwischen war der gesamte Haufe in Richtung Freiburg vorgerückt. Ebnet wurde besetzt, die Kartaus „übel verwüstet“ und alsbald im Zusammengehen mit den andern Haufen, die nun einen Ring um Freiburg geschlossen hatten, die Stadt belagert. „Ein schwartz beürlin selb viert (als 4. Mann mit 3 andern zusammen) zog ein Handtgschütz“ den Berg hinauf auf die Burghalde. Die Bewachung war schlecht, und so erfolgte alsbald der erste Feuerüberfall.

205 SCHREIBER, Urk. II, 36 Nr. 171.
206 Villinger Chronik ed. MONE II, 97.
207 SCHREIBER, Urk. III, 123 Nr. 448. Vergleiche auch Schauinsland Jg. IV, 49 ff. J. BADER, Die Burg Wiesneck.
208 Villinger Chronik, a.a.O.

 
Kapitulation Freiburgs vor der Bauernschaft: Wieviel Männer aus Kirchzarten und dem übrigen Tal bei der Belagerung Freiburgs mitwirkten, wissen wir nicht. Zu denen, über die wir zufällig lesen, gehören Peter Frey, Jörg im Himmelreich und Jakob Sparhow. Ihre eigenen Angehörigen geben zu, daß sie ihr Statt belagert und helffen nöttigen (zur Übergabe zwingen)209. Ausführlich erfahren wir über Ulrich Kindhänsen Sohn aus Burg durch seine späteren Aussagen vor Gericht210. Er habe, gesteht er im Verhör, geraten und geholfen bei den Geschützen und sy unterwysen, wie sy schiessen sollen. Ein oder zweimal habe er geholfen, in Junker Davids Haus211 zu schießen. Von ihm stammt auch der Ruf: wir wellen den Kilchenthurm alhie (den Münsterturm) dem zu Kilchzarten glich machen. Er war schon zum Fähnrich erwählt worden, als er noch in Kirchzarten einquartiert war. Später lag er mit seinem Fähnlein in der Trottmatte, dann in Ulrich Scheydenmachers Garten. Beim
Überfall auf die Kartaus scheint unser Fähnrich sich ebenfalls betätigt zu haben, er weiß nämlich von einigen dieser Plünderer zu berichten: einer in einem lydern Rockh von Waltzhuett hab das best mit dem zerschlagen und sonst in der Carthuß thon. Jorg Clenser von der Newenstat hab best gethan mit aller Buberey in der Carthuß. Seger in der Spirtzen hab Gelt zu Carthusern getailt mitsampt andern, die er, Thäter, nit erkent oder benennen kann. An Blei aus der Kartaus habe ihm der Profoß 20 oder 30 Pfund gegeben, es liege jetzt in Zarten ins Baders Huß. Offenbar wurde das Blei aus den Fenstern gebrochen. Es kennzeichnet die Primitivität dieses Mannes, wenn er nicht einmal seinen obersten Führer mit Namen kennt: Der Hauptmann uß dem Klegkaw im roten Mantel und roten Bart, der hab ins Münster alhie gschossen, und sig ein guter Schütz. Vor Freiburg habe er das Gefell (Verhau), so die von Fryburg gemacht, zerprochen, damit man das Geschütz fürderlich u] den Berg bringen möcht. An weiteren Namen nennt er noch Claus Wormser als Fähnrich, Jakob Ziger als Waibel, einen Dietrich aus Littenweiler, der den Freiburgern Brunnen und Wasser abgegraben habe.

In einem zweiten Verhör am 12. August weiß Kindhans den Namen Hans Müller wieder, als er sich daran erinnert, wie er mit ihm und Hans Mentz, dem Vater Kindhans sowie dem Seger zusammen mit andern zu Ebnet beratschlagt habe, wie man Freiburg belagern und einnehmen solle. Am Tag, als der Vertrag abgeschlossen wurde, habe Jörg von Ulm und Bernhard
Büchssenschmid mit ihm draußen im Feld „gezehrt“ und sein Lager sowie den Berg besehen. Der ganze Haß Kindhansens gipfelt in seinen Worten: hätt er all zu Fryburg in einem Schuß können erschießen, wolt er sich nit gespart, sondern mit allem Vleiß gern thon haben.

Nicht weniger rabiat war Jakob Ziler, den wir schon beim Haufen trafen, als dieser noch auf dem Schwarzwald umherzog. Auch er bekennt seine aktive Teilnahme an der Belagerung der Stadt, in deren Dienst er früher stand und der er durch Eid verpflichtet war, nicht nur als Hintersasse aus dem Talgang. Er bekennt, daß er und seine Genossen beabsichtigten, die geistlichen, edellewt und die heupter der stat zu tod (zu) schlagen, wo man sich nit ergeben hätte212,

Diese Übergabe erfolgte jedoch am 23. Mai, am folgenden Tag wurde der feierliche Vertrag geschlossen mit dem Obristen Jerg Heiden von Lahr, Hans Hamerstein aus der oberen Markgrafschaft, Georius Müller aus der unteren sowie Hans Müller, des schwartzwaldischen Huffens. Darin wird dem allmechtigen ewigen Gott Vatter zu Lob und er (Ehre), auch zu Eroffnung des heiligen Evangeliums gottlicher Wahrheit . ... ein christliche Vereinigung angefangen zu Uffrichtung eins gemeinen Landtfridens und Abtilgkung der unbillichen Beschwerden ...in ein Bruderschaft und ewigen Pundt zusammen gehuldigt... Diese Verbrüderung soll den Eiden und Verpflichtungen gegenüber dem Haus Österreich keinen Abbruch tun.

Zum Ersatz der Kosten soll die Stadt für die Herren vom Adel und die Geistlichkeit, so wir in unser Statt Friburg mit Lib und Gut enthalten und geschirmbt haben, 3000 Gulden entrichten, dafür aber sollen diese an Leib und Gut gesichert sein213. Um diese Summe einzutreiben, wird unser Jakob Ziler zusammen mit andern in die Stadt geschickt214. Neben dieser Brandschatzung mußte noch das in der Bruderschaft übliche Herdstättengeld, wöchentlich 2 Kreuzer von jedem Haus, entrichtet werden215. Dieses Schreiben der Hoptlüt und Rät des Hufen uff Schwarzwald vom 25. Mai ist in Kirchzarten ausgestellt. Es beweist damit wie auch das folgende mit gleichem Datum, daß das Hauptquartier und damit wohl auch Hans Müller von Bulgenbach wieder ins Dreisamtal zurückgekehrt waren. In einem weiteren Schreiben bitten die Hauptleute, einen Mann ihres Haufens, der in Freiburg gefangen sitze, freizugeben; es sei vereinbart, alle welche nit malefizisch Gehandelt — wir würden sagen, die politischen Gefangenen — zu entlassen216. Umgekehrt mahnen die Freiburger zwei Tage später bei Hanns Mentz und den andern Hauptleuten im Kirchzartener Tal, daß die Vereinbarungen gegenüber den Herren Jopp von Reischach und Stoffel von Landeck nicht eingehalten worden seien. Diese Herren waren in die Brandschatzung der 3000 Gulden mit einbezogen als Freiburger Bürger, trotzdem würden ihnen vil und mancherlei Beschwerd zugefügt. Freiburg ersucht, diese sofort abzustellen und den Herren zu dem ihrigen zu verhelfen, andernfalls weitere Klagen bei andern Hauptleuten erhoben würden. Auch bittet die Stadt, obwohl sie keine Ablehnung erwartete, um schriftliche Antwort an den Boten217.

Auch in der Stadt benahmen sich die Bauern herausfordernd. Sie fischten in den Gewässern der Stadt, andere fielen über städtische Häuser her, die sie plünderten und verwüsteten218. Ähnliche Klagen werden auch anderwärts im Breisgau laut, so daß die Stadt die Hauptleute und Räte der im Breisgau versammelten Haufen ermahnt und bittet, umb aller Nachpurschafl und Brüderschafl willen, diese Vorkommnisse, die gegen Gott und gegen das Evangelium seien, abzustellen219. Es bezeugt nun wiederum den guten Willen der Führer, wenn diese darauf betrübt antworten, sie erkennen die Strafwürdigkeit der Verstöße gegen die Vereinbarungen an, könnten aber nicht selbst durchgreifen, angesehen daß wir nit an allen Enden by den Ungehorsamen sein mögen. Sie übertragen deshalb die Strafgewalt auf die Herren der Stadt, damit ein einiger christlicher Landtsfried erhalten bleibe220.

209 SCHREIBER: Urk. III, 59 Nr. 393.
210 SCHREIBER, Urk. III, 57 Nr. 392a. Das 1. Verhör war am 20.7.1525.
211 Haus „Zum Wilden Mann“ in Freiburg, Salzstraße 5 nach FLAMM, Gesch. Ortsbeschreibung II, 224.
212 SCHREIBER, Gesch. d. St. Freiburg III, 282.
213 DERS. Urk. II, 131 Nr. 260.
214 7GO 34, 457.
215 SCHREIBER, Urk. II, 141 Nr. 268 vom 2. 5. 1525.
216 SCHREIBER: Urk. II, 140 Nr. 267 vom 25. 5. 1525.
217 SCHREIBER: Urk. II, 147 Nr. 275 vom 27. 5. 1525.
218 HARTFELDER, 317.

219 SCHREIBER: Urk. II, 154 Nr. 284 vom 29. 5. 1525.
220 EBD. II, 155 Nr. 285 vom 29. 5. 1525. Vielleicht können wir schon die am 10. Juni erfolgte Hinrichtung des Hans Wirth von Bahlingen, der u. a. den Brand des Klosters Tennenbach verursacht hatte, aus dieser Vollmachtsübertragung erklären, (EBD. II, 187 Nr. 314).
 


Der Umschwung. Die Gutgläubigkeit des Hans Müller von Bulgenbach und seiner Mitführer hat geradezu etwas Rührendes, besonders wenn man die unaufrichtige Haltung der Stadt auf Grund ihres späteren Treuebruchs in Betracht zieht221. Mit einer naiven Hilflosigkeit offenbaren sie der Stadt die Verschlechterung ihrer allgemeinen Lage, als Jörg von Frundsberg gegen die Bauern im Hegau anrückt. Die Hauptleute sehen im Freiburger Magistrat ihren guten Sachwalter auf der Offenburger Tagung, den sie aus besonderem Vertrauen wissen lassen, in welcher Gefahr sie sich befinden; Freiburg möge ihnen Rat und Warnung thun wie günstig Herren und Brüder222. Und als Freiburg am 4. Juni im Hinblick auf den anberaumten Offenburger Tag weitere militärische Handlungen gegen Villingen untersagt223, gehorchen sie sofort und geben ihre vorteilhafte Lage in gutem Vertrauen auf diese Weisung preis. Da die Villinger trotzdem fortfahren, den Bauernhaufen zu schädigen, fragen sie wiederum Freiburg um Rat und Hilfe224. Die Fortschritte, die das Heer des Schwäbischen Bundes, aber auch jene des Herzogs von Lothringen sowie des Kurfürsten von der Pfalz gegenüber den Aufständischen erzielt hatten225, hatten nämlich den Wunsch nach einer friedlichen Bereinigung der gegenseitigen Vorwürfe immer lebhafter werden lassen. Schließlich war eine Tagung in Offenburg anberaumt worden. Noch waren deren Ergebnisse nur vorläufig. Die abschließende Urkunde vom 13. Juni 1525 trug aber immerhin nebeneinander die Unterschriften aus beiden Lagern: Neben Markgraf Ernst von Baden zeichnete der Obriste Hauptmann Gregorius Müller, der ehemalige Stadtschreiber von Staufen, der Führer der dortigen Unzufriedenen, der vier Fähnlein der Bauern befehligte226. Freiburg war durch seinen Bürgermeister Wilhelm Vogt, seines Zeichens Gerbermeister, und den Obristmeister Ulrich Wirtner vertreten227. Als auch Erzherzog Ferdinand Miene machte, in den Vorlanden einzugreifen, fühlte sich Freiburg stark genug, am 17. Juli 1525 den erzwungenen Vertrag mit der Bauernschaft aufzukündigen, da die Bauern in mehr dann in einem Weg widerwärtig gegen gemeldten Verstand (Inhalt des Vertrags) und Abredt gehandlet haben228.

Noch am gleichen 17. Juli meldet Freiburg diesen entscheidenden Schritt an den Erzherzog. Gleichzeitig bittet die Stadt um Reisige und Fußknechte, um die Bauern „züchtigen“ zu können229. Daneben nimmt der Magistrat selbst einige hundert Knechte in Dienst230. Wie immer bei solchen rasch organisierten Truppen finden sich auch unter diesem Freiburger Strafkorps recht tragwürdige Gestalten. So geht dem Bürgermeister sogar ein Schreiben zu, das ihn vor einem gewissen Michel aus Mietersheim warnt, da dieser Mann in der Herrschaft Lahr zu den schlimmsten Aufwieglern gehört habe und nun die Gefahr bestehe, daß er auch den Geist der Meuterei in die Freiburger Truppe hineintrage231, Der Rachedurst der Breisgaustadt kommt zwei Tage später erneut zum Ausdruck in einem Schreiben nach Ensisheim, in dem sie die vorderösterreichische Regierung gleichfalls um Hilfe bittet. Es gilt die, so uns solch Schmach zugefügt ..... und beschedigt haben, so viel uns möglich...zu strafen232. Aber selbst die Regierung mahnt zu ruhiger Überlegung, dormit Ihr nit mer Unruh bewegen oder euch wyther Schaden und Nachtheil tuen233. Denn noch immer ist die allgemeine Erregung keineswegs abgeklun
gen, der Aufruhr lodert noch mancherorts weiter oder züngelt erneut auf?234. Kirchzarten bildet für Freiburg das Hauptziel bei seinen Strafgerichten. Wir können aus unserem eigenen Erleben in den vergangenen Jahrzehnten ermessen, wie schwierig es oft gewesen sein muß, die Sühnemaßnahmen richtig festzusetzen, und wie ungerecht manche Bestrafung ausfallen mußte, wenn wir den Zwiespalt, in dem unsere Kirchzartener standen, und den Zwang, unter dem viele handeln mußten, in Betracht ziehen. Für unsere Talbauern war der übertriebene Eifer der Stadt, mit dem sie ihre eigene Schuld gegenüber dem Erzherzog vergessen machen wollte, besonders verhängnisvoll. Anstatt die Vermittlungsverhandlungen abzuwarten, handelte Freiburg rasch auf eigene Faust.

Schon wenige Tage nämlich, nachdem Freiburg den Vertrag aufgekündigt hatte, erbaten die Kirchzartener Untertanen freies Geleit nach der Stadt, um mit ihr Verhandlungen wegen ihrer Unterwerfung aufzunehmen. Sie sind bereit, sich in unser Straf zu ergeben. Die Verhandlungen führen schließlich so weit, daß die Stadt den Bauern Artikel übergibt, auf die diese schwören sollen; dann wäre der Magistrat bereit, ihre Unterwerfung entgegenzunehmen. Noch aber sind die Kirchzartener zu einer solchen „totalen Kapitulation“ nicht bereit und bitten sich wenigstens Bedenkzeit aus, da die Stadt unnachgiebig bleibt. Die Kirchzartener möchten wenigstens erreichen, daß auch die Untertanen der anderen Herrschaften des Tals und des Waldes in den Vertrag aufgenommen werden. Angesichts der unklaren Lage berichtet Freiburg am 26. Juli 1525 nach Ensisheim und erbittet von dort Rat und Verhaltungsmaßregeln. Die Regierung jedoch ist vorsichtig genug, eine Stellungnnahme abzulehnen235.

221 HEINRICH HUG schreibt in seiner Chronik zu diesen Junitagen 1525: Item die von Freiburg bruochten zuo der selben zitt mit der buren bruoderschafft große schelmenstuck (Seite 133),
222 SCHREIBER: Urk. II. 221 Nr. 340.
223 SCHREIBER: a.a.O. II Nr. 305.
224 EBD. II, 229, Nr. 348,
225 „...sie schluogen die pauren bis in 25 000 zue Todt“ (BAUMANN: Quellen, 576).

226 HARTFELDER, 295.
227 SCHREIBER: a.a.O. II, 205 Nr. 332 und ZGO 34 (1882), 452 f.
228 SCHREIBER: Urk. III, 50, Nr. 385.
229 EBD. III, 50 Nr. 386.
230 Villinger Chronik ed. Mone II, 103.
231 SCHREIBER a.a.O. III, 54 Nr. 390.
232 EBD. Seite 55 Nr. 391 vom 19. Juli 1525.
233 EBD. Seite 56 Nr. 392. — Die Treulosigkeit der Stadt gegenüber den naiv-gutgläubigen Bauernführern machte nämlich vielerorts böses Blut. So wurden z. B. Spottlieder auf Freiburg in Staufen gesungen, wogegen Freiburg protestiert und Bestrafung der Beleidiger ver- langt (SCHREIBER: Urk. III, 76 Nr. 406 vom 7. 8. 1525). Hans Hotz in Heitersheim äußert sich dort vor der Metzig am Fischmarkt, die von Fryburg sigen (seien) an ...der Gepursame (Bauernschaft) gefaren wie Schelmen und Böswicht. Die Stadt Freiburg wird seiner habhaft und wirft ihn ins Gefängnis. Sein Sohn wendet sich um Vermittlung an Basel, das nun in Freiburg um Geleit für den jungen Bartle Hotz bittet, damit er seinem
Vatter zu Hilff, wie einem Kind pillich gebührt, erschießen möcht, nachdem dieser selbst vergebens darum nachgesucht hatte, um in Freiburg für seinen Vater „das Recht zu verbürgen. Es sei doch, so meint Basel, by disen schweren leuffen allenthalb gered (worden), so alles zu erörtern nit an Müh beschehen würde. Hätte der Magistrat diese Fürbitte früher bekommen, lautet die Antwort an Basel, hätte man gern freundnachbarlich gehandelt. So aber sei von den Vierundzwanzig das Urteil schon ergangen. Das Protokoll vom 21. 8. besagt, daß Jacob Hotz frei sitzend, ungezwungen und ungebunden zugegeben habe, daß er uß der Bewegnus (Erregung), doch us unbedachtem Mut vor der Metzig so gesprochen habe. Anstatt der verwirkten Todesstrafe, dieweil er ein gantze Commun also geschmäht und geschuldigt läßt ihm das städtische Gericht aus Gnad und Barmherzigkeit nur die beiden Schwurfinger abhauen durch den Nachrichter, nachdem er zuvor noch Urfehde geschworen hat: Er werde gestracks die Stadt verlassen und ohne ihre Erlaubnis nie näher als 2 Meilen herankommen. Außerdem werde er in den nächsten 8 Tagen die beträchtliche Summe von 10 Pfund Rappen Pfennig erlegen. Und schließlich verspricht er, diß Fangenschaft und alles das so mir darinnen und deßhalb begegnet ist, ... zu argem und ungutem nimermer zu gedenken. Hält Jakob Hotz seine Zusicherungen nicht, so wird die an sich verdiente Todesstrafe fällig. SCHREIBER: Urk. III, 86, 91, 97, 98 Nr. 418, 421, 426, 427.
234 Hans Müller von Bulgenbach, dem der Erzherzog schon lange im besonderen nachstellen ließ als dem Radlführer und Aufwiegler aller Aufruhren, wollte nach der Niederlage im Hegau im Klettgau neue Kräfte werben. Dabei kam er — anscheinend in verräterischer Weise — in Schaffhausen ins Gefängnis und von dort in die Hände des vorderösterreichischen Hauptmanns der Waldstädte. Dieser, Ritter Ulrich von Habsberg, ließ den Stühlinger Bauernhauptmann, den „Volkstribun, der weit über das Durchschnittsmaß hinausragte“, durch den Nachrichter, den er von Schaffhausen ausborgte (SCHREIBER: Urk. III, 79 Nr. 409) Ende August nach verzigiger gefengnuß (40tägiger Gefangenschaft) enthoupten (LETTSCH bei MONE II, 50). RODER ZGO 70 (1916), 416. Die Klettgauer Bauern werden jedoch erst am 4. November 1525 von Graf Rudolf von Sulz entscheidend geschlagen bei Grießen, nachdem sie noch immer an Zürich einen Rückhalt gefunden hatten. Daraufhin legten am 13. November auch die Hotzenwälder Einungen die Waffen nieder. Am 6. Dezember wird schließlich auch Waldshut von den Truppen des Schwäbischen Bundes eingenommen. Balthasar Hubmayer flüchtete zunächst nach Zürich, dann nach Böhmen; dort geriet er in Gefangenschaft, 1528 wurde er in Wien verbrannt. Noch am 11. April 1526 ging St. Blasien in Flammen auf, wie der dortige Chronist ANDREAS LETTSCH berichtet (MONE II, 52): ein später Racheakt für die Hinrichtung des — übrigens sehr gemäßigten — Bauernhauptmanns Kunz Jehle aus Niedermühle.
235 SCHREIBER: Urk. III, 69 und 70 Nr. 397 und 398 vom 26., 27. Juli.


Das Strafgericht über Kirchzarten: Daraufhin handelt die Stadt selbstständig, anscheinend mit der ganzen Grausamkeit eines „totalen Siegers“. Sie bezeichnet das Nichteingehen der Bauern auf die bedingungslose Unterzeichnung der Artikel als Widersetzlichkeit und überzieht die Untertanen des Kirchzartener Tals und uff dem Wald am 16. August mit bewaffneter Hand. Sie hat es nach ihrem eigenen Bericht vom 25. August an den Erzherzog mit Raub, Brandt, Todtschlag dahin bracht, daß sie jetzunder pitten, sie uff die bemeldten Artickel zu Gnaden und Ungnaden anzunemen. Hierfür erbittet sich die Stadt die landesherrliche Zustimmung in dem genannten Schreiben, das mit seinem Schlußsatz nur zu deutlich den tieferen Grund für die erbarmungslose Härte verrät: durch jedes Mittel, auch auf Kosten Wehrloser, das mit der Verbrüderung im Frühjahr verscherzte fürstliche Wohlwollen wieder zurückzugewinnen. Wenn der Erzherzog der Stadt freie Hand läßt, ist der Wald bei uns allenthalb gesichert, die Fürstliche Durchlaucht braucht sich dann um die übrigen Gebiete keine Sorgen mehr zu machen. Als gehorsame Untertanen, so betont das Schreiben, wollen die Freiburger sich um die Fürstliche Durchlaucht verdient machen, indem sie das in aller Underthänigkeit und nach höchstem Vermögen zu thun geflissen sein werden236.

Wie erbarmungslos diese städtische Exekutionsmannschaft vorging, können wir erahnen, wenn wir den verzweifelten Schrei der Kirchzartener vom Tag nach dem Strafgericht lesen. Dieses Schreiben vom 17. August 1525237 an den Magistrat von Freiburg nennt als Aussteller Ein gantze Gmein zu Kirchzarten sampt anderen Hindersaßen. Es lautet wörtlich: Nachdem und wir in verschinen (vergangenen) Tagen von euch, unsern Herren, so hartenklich geschetiget und gestraffl sind unverdienet, ... . Und diewyl ihr uns also ein merklichen Schäden zugefügt hand: etlich erstochen, etlich Huß und Hof verbrant, etlich gefangen genumen, sind wir der Hoffnung und auch in Bitt und Beger zu euch, unseren Herren, uns wieder uffzunemen als arm Hindersaß und Underthanen, und ein Benügen238 an dem Schaden und Straff haben. Oder uns zu verstan geben, ob ihr uns wellen vertriben haben, und ob ihr, unsere Herren, uns wellent lassen kummen zu einer Antwurt und Teding239. Der Brief schließt mit der Bitte um einen Geleitsbrief240. Vorher wird noch betont, daß die Kirchzartener dieses Vorgehen nicht erwartet hatten, nachdem sie zuvor doch schon sich demütig an die Stadt gewandt hätten. Auffallend ist an dem Schreiben, daß es nicht in der üblichen Weise vom Vogt unterzeichnet ist. Dieser saß nämlich offenbar schon seit Juli im Gefängnis zu Freiburg, wir lernen seinen Namen, Peter Frei, in dem Bittgesuch der Städte bei der Tagung in Basel kennen. Noch nicht zurückgekehrt war vermutlich auch der Pfarrer von Kirchzarten, Ulricus Wesener. Er war uß Warnung von Kilchzarien gewichen, Recht nit fürchtend und hörte nun an seinem Zufluchtsort241, wie er in der ganzen Stadt verleumdet werde. Deshalb bat er am 9. August um freies Geleit, um sich verantworten zu können; er werde seine Rechtfertigung, sowohl wegen angeblich falscher Lehre über das Abendmahl, wie hinsichtlich der Vorwürfe, die ihn zum Collaborateur stempeln, mit Gottes Hilfe so gut durchführen, daß ihr ein gut Vergnügen (Befriedigung) werden haben.

Anscheinend hatte Freiburg im Sinn, die Rachezüge auch über die eigenen Untertanen hinaus auszudehnen, nachdem ihnen der Überfall auf die eigenen Kirchzartener immerhin rund 2000 Gulden eingebracht hatte, wie der Villinger Chronist berichtet242. Hier wirkte es sich einmal positiv aus, daß die Rechte über die Bauern in verschiedenen Händen lagen. Wohl nicht aus Liebe zu den Untertanen, die immerhin seine Burg Wiesneck geplündert hatten, suchte der Junker David von Landeck einem solchen Unternehmen vorzubauen. Vielmehr war ihm daran gelegen, daß seine Bauern in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht allzusehr geschwächt würden, nachdem er selbst schon den Rahm abgeschöpft hatte, als er sie wieder von neuem in Pflicht und Gehorsam genommen hatte. Deshalb erwirkte er in Ensisheim ein Verbot für Freiburg, gegen diese Leute auch noch vorzugehen; etwaige direkte Ansprüche sollen vor dem Gericht in Ensisheim geltend gemacht werden. So wurden unsere Kirchzartener in Dietenbach von einer weiteren strafweisen Brandschatzung ebenso verschont wie die Leute in Mißwende, Falkenstein, Falkenbühl ( ), Eschbach, Wiesneck, Ebnet und Littenweiler, die alle
Untertanen des Landeckers waren243

Die Angst vor Freiburgs Rachezügen hatte sich bis ins Wiesental ausgebreitet, wohin einige Aufständische aus Kirchzarten geflohen waren. Ängstlich suchen Schönau und Todtnau den „Unwillen“ Freiburgs zu beschwichtigen, nachdem das gemein Geschrey ist gesyn, daß die Freiburger Landsknechte kämen, sie zu schädigen244.

236 EBD. III, 101 Nr. 431 vom 25. August 1525.
237 SCHREIBER: Urk. III, 84 Nr. 416.
238 ein begnügen han = sich zufrieden geben (GOTZE, Frühhochdeutsches Glossar).
239 Teding (auch Täding, Thäding geschrieben) = Tagung, Verhandlung, Antwort geben = verantworten. ebd.
240 Wer denkt hier nicht an das Laissez-passer von Ort zu Ort 1945!
241 SCHREIBER: Urk. III, 80 Nr. 411. Vergleiche oben Pfarrer Weseners religiöse Haltung.— Das Wort Gewarsam hat hier wohl noch den alten mittelhochdeutschen Sinn von
Sicherheit, sicherem Ort“.
242 ...zogen die von Freyburg uß in das Kirchzarter thal, gwunnen bey 2000 fl. werth, verbranten ettliche heüßer, thailtens under die gmeine beütt, huowen ettlichen burger die kepf ab. MONE II, 104.
243 SCHREIBER: Urk. III, 104 Nr. 434 vom 25. 8. 1525.
244 EBD. III, 90 Nr. 420
.


Friedensverhandlungen: Neben solchen einzelnen Strafaktionen der niederen Herrschaften gegen eigene Untertanen liefen schon längere Zeit Bemühungen, in größerem Rahmen eine Einigung zu erzielen und auf diese Weise wieder eine Grundlage zu schaffen für das weitere Zusammenleben der beiden sozialen Stände. Aber noch während der schon früh einsetzenden Verhandlungen verschlechterte sich im Lauf des Sommers 1525 durch die fortschreitenden Siege der Angehörigen des Schwäbischen Bundes die Lage der zu wenig organisierten bäuerlichen Seite.

Vor allem vermittelten die Städte Basel und Straßburg Zusammenkünfte der beiden Parteien, Adel und Bauern, auf denen schließlich die strittigen Fragen bereinigt und die gegenseitigen Verhältnisse neu geregelt werden sollten. Die erste dieser Besprechungen fand schon am 22. Mai in Renchen statt. Dort spielte Markgraf Philipp von Baden und sein Kanzler Dr. Vehus
die Hauptrolle. Die 12 Artikel der schwäbischen Bauernschaft bildeten die Grundlage, der gewandte Kanzler brachte aber eine sehr gemäßigte Lösung zustande, so daß der endgültige Vertrag vom 25. Mai wirklich eine tragfähige Grundlage für die Zukunft bildete245

Für die südlichen Landesteile beraumte Markgraf Ernst von Baden auf den 5. Juni eine Tagung in Offenburg an, zu welcher auch Freiburg eingeladen wurde. Die Vorbesprechungen fanden in Basel statt246. Als später, bei veränderter politischer Lage, die sehr gemäßigten Bestimmungen dieses Offenburger Vertrags nicht in Einklang zu bringen waren mit dem sehr scharfen Vorgehen der Stadt gegen ihre Kirchzartener Bauern, betonte sie in recht durchsichtiger Weise, sie sei bei dieser Tagung nur als „Beistand“, nicht als „Partei“ — wir würden modern sagen „inoffiziell“ — dabei gewesen. Mit diesem Schachzug wehrte Freiburg die Bemühungen der Städte Basel, Straßburg, Breisach und Offenburg ab, die für unsere Talbauern Milderungen erreichen wollten auf Grund dieser Offenburger Vereinbarungen247.

Die Lage auf dem Offenburger Tag war für Freiburg nicht einfach. Einerseits war die Stadt von der Seite der Fürsten eingeladen, andererseits war sie der revolutionären Brüderschaft des Hans Müller von Bulgenbach beigetreten. So gaben ihre Vertreter gleich zu Beginn der Verhandlungen zu Protokoll, daß die Stadt keine Beschwerden gegen ihren Landesherrn, den Erzherzog Ferdinand, habe. Sie sei lediglich zu der Tagung erschienen, um mitzuhelfen, wieder friedliche Verhältnisse zu schaffen und die Beschwerden zu beheben248. Eine förmliche Rechtfertigung gegenüber ihrem Landesherrn suchte die Stadt durch eine Gesandtschaft nach Innsbruck zu erreichen. Dr. Schmozers Vorstellungen am 17. Juni fanden dort Verständnis, der Kanzler nahm die Entschuldigung an, daß der Beitritt zum Haufen Müllers nur unter dem Zwang der Belagerung und angesichts der Aussichtslosigkeit, vom Erzherzog Hilfe zu bekommen, erfolgt ist249.

Noch der genannte erste Offenburger Vertrag vom 13. Juni war so gemäßigt, daß selbst der Obrist Hans Müller sich den Vereinbarungen anschließen wollte250. Man könnte von einem Rahmenvertrag sprechen, denn er überließ es den verschiedenen Herrschaften, sich im einzelnen mit den eigenen Bauern zu vergleichen. Etwaige Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben würden, sollten auf einem weiteren Tag am 18. Juli zu Basel behoben werden. Die Bauern sollten die Haufen nicht mehr zusammenberufen, vielmehr wieder in den Gehorsam gegen ihre Herren zurückkehren und die Abgaben
leisten wie zuvor, über besonders drückende oder strittige sollte in Basel entschieden werden. Dagegen dürfen die Herren die Untertanen wegen der Empörung weder an Leib, noch an Ehre und Gut strafen. Der große Zehnt sollte weiterhin entrichtet werden, der kleine Zehnt sowie die Frondienste wurden vorläufig eingestellt251.

Der Vertrag war ausgehandelt worden von den Vertretern der Städte Basel, Straßburg, Offenburg, Breisach und Freiburg sowie Bevollmächtigten der Markgrafen Ernst und Philipp von Baden, des Landvogts im Unterelsaß und des Bischofs von Straßburg. Bei den Bauern hatte Gregorius Müller von Staufen, der Obrist des Breisgauer Haufens, die Führung, Ritter Werner von Kippenheim vertrat den Haufen aus Badenweiler. Nun galt es, die einzelnen Landesfürsten zur Annahme dieses Vertrags zu bewegen. Das gelang nur bei Markgraf Ernst, der seine erste Sondervereinbarung mit den Bauern am 25. Juli in Basel abschloß. Auch die Grafen von Fürstenberg sowie Markgraf Philipp ließen sich schließlich bewegen. Die Regierung in Ensisheim jedoch bzw. Erzherzog Ferdinand selbst zogen die Sache in die Länge. Und nur mit Mühe gelang es, die Kurfürsten von der Pfalz und von Trier nach ihren Siegen im eigenen Land davon abzuhalten, daß sie auch im Breisgau das Strafgericht vollzogen; das hätte einen schweren Verstoß gegen die Zusicherungen gegenüber den Bauern auf dem Offenburger Tag bedeutet252. Die Basler Tagung253 vom 17. bis zum 25. Juli ließ die gegensätzliche Haltung gegenüber den Bauern noch deutlicher erkennen. Hinter der Stadt Freiburg stand die unerbittliche Haltung der vorderösterreichischen Regierung, wenn die Vertreter der Stadt die Vorstellungen der Kirchzartener Bauern unerbittlich abwiesen. Die Vertreter von Straßburg, Basel, Breisach und Offenburg nahmen sich ihrer Nöte an und sprachen auf dem Basler Tag für sie. Die armen Lüt us dem Kirchzarter Tal hatten ihnen geschildert, wie sie gleich andern Orten des Breisgaus von den Bauernhaufen überzogen worden seien. Diese verlangten, daß sie ihnen huldigen und schwören sollten. Als die Kirchzartener sich in ihrer Not an Freiburg, ihre Obrigkeit, um Rat wendeten, konnte die Stadt, da sie selbst in Bedrängnis war, ihnen weder Rat noch Hilfe geben. Us nottrunglicher Ursach, von allen verlassen, selbst außerstand, Wyb und Kind zu verhüten, ihre Hüser unverprenndt zu erhalten, haben sie der Bauernschaft (der Pursame) huldigen und ihre Bruderschaft annehmen müssen.
Sie haben keinen Trost noch Hilff von Niemands gewyst, auch für sich selb der Macht nit, der Pursame sich ze erweren, gewesen. Und fast beschwörend fahren ihre Verteidiger fort: Doch haben sie Niemands beschediget, Niemands weder Haller (Heller) noch Hallers Wert gnomen oder inen (sich) zugeeignet254.

Freiburg, das eben erst den Bauern den angeblich erzwungenen Vertrag aufgekündigt hat, läßt nun im Vollgefühl des wiedererlangten erzherzoglichen Wohlwollens seiner Rachelust gegen die armen Talbauern auch hier freien Lauf. Fadenscheinig ist der Vorwurf, die Stadt habe den Bauern, als diese um Rat und Hilfe nachsuchten, befohlen, so lang als möglich sich der uffrürigen Puren zu entschlagen. Sie sagen aber auch jetzt nicht, wie die Kirchzartener, von eineinhalbtausend Bauern bedrängt, das hätten bewerkstelligen sollen. Es klingt, wenn man die Sachlage von damals in Betracht zieht, fast wie Ironie, wenn das Antwortschreiben der Stadt fortfährt: Aber wie sy dem nachkomen, findt man jetztunder by ettlichen, so ußer ihrem Huffen gefangen. Also weil man bei den Gefangenen, die aus den Bauernhaufen gemacht wurden, auch einige Kirchzartener Bauern festgestellt hat, — offenbar jene, die schon längst zuvor auf den Schwarzwald dem Haufen Hans Müllers zugezogen waren, — will man nun die ganze Gemeinde der Untreue gegenüber der Stadt und damit gegen das Haus Österreich zeihen. Ja, die jetzt wieder sehr großsprecherischen Freiburger versteigen sich sogar zu der Behauptung: Wo die unsern (unsere Talbauern) nit gewesen (wären), wär Hans Müller mit seinem Huffen nit ab dem Wiild herabgezogen. Also sollen die paar Kirchzartener, die schon 1524 und im Frühjahr 1525 zu der Christlichen Vereinigung gegangen waren, schuldig sein, daß der große Haufen vom Schwarzwald überhaupt ins Dreisamtal und in die Rheinebene herabgezogen ist. Und in ungerechter Verallgemeinerung wird nun den Bauern des Talgangs vorgeworfen, sie seien, im Gegensatz zu andern vergewaltigten Bauernschaften, by den ersten gewesen, die mit ihrem Venlin (Fähnlein) vor unser Statt komen, den obern Berg (Schloßberg) ingenomen, unser Brunnen, Bäch, auch unser Inwoner vom Adel und sunst ihre Hüser geplündert, das Vich genomen, die Carthuß und ander Gotzhüßer zerstört, dann (weil) sie Steg, Weg und alle Kundschaft gewißt und wo es ihnen gelingen mögen, wär an ihnen gar nichtz erwunden (hätten sie es an nichts fehlen lassen). Und so werde man, weist Freiburg die Fürsprache der Städte ab, an den Kirchzartener Bauern ein abschreckendes Beispiel statuieren255.

246 HARTFELDER, 333 ff. und FRANZ, 225.
247 SCHREIBER: Urkunden, 62 Nr. 395.
248 ZGO 34, 453.
249 SCHREIBER: Urk. II, 219 Nr. 339,
250 SCHREIBER: Urk. II, 235 Nr. 353 Hans Müller schreibt am 24. Juni von Radolfzell aus an Freiburg, das er gleichzeitig um Hilf und Rat bittet. Fryd und Gnad von Gott dem Almechtigen myt uns armen Brüdern.
251 SCHREIBER: Urk. II, 205 Nr. 332.
252 HARTFELDER, 343. Die fürstlichen Siege in der Pfalz mit 8000 erschlagenen Bauern, ebenso die im Hegau berichtet die Villinger Chronik (MONE II, 101).
253 EBD. 344.

254 SCHREIBER: Urk. III, 60-61 Nr. 394395 vom 22.23. 7. 1525,
255 SCHREIBER: Urk. III, 61 Nr. 395 und III, 60 Nr. 394 vom 23.7. 1525.


Sühnemaßnahmen gegen Kirchzartener Bürger: Von dieser Voraussetzung einer Kollektivschuld ausgehend, benützte Freiburg die wieder gewonnene Handlungsfreiheit nach der Aufkündigung des Vertrags am 17. Juli256 1525 dazu, die ersten besten Kirchzartener, die ihr in die Hand fielen, einzusperren. Das waren Ulrich König, Peter Fry, Jacob Sparhauw und Jerg im Himelrich. Als diese Männer, Vatter, Son und Tochtermenner dem alten Brauch nach den Wuchenmarkt by euch zu ihrer Narung gesucht, wurden sie gfenklich angenommen, etlich in Diebs-Turm gelegt. Die Männer aus dem Tal wurden also, als sie ihrem Broterwerb nachgingen und ihre Waren auf den Freiburger Wochenmarkt brachten, dort gefangen gesetzt, offenbar aber nicht alle. Die Vertreter der Städte, die sich für diese Kirchzartener einsetzen, bitten nun gar früntlich, jene aus ihrer Haft zu entlassen257. Freiburg aber kennt kein Erbarmen, es läßt nun eben diese zufällig erwischten Kirchzartener büßen für alle jene, die mit Hans Müller weitergezogen sind, wieder auf den Schwarzwald hinauf und zur Belagerung von Radolfzell und Villingen, Wartenberg, und die dem von Schellenberg die Neuenburg holffen zerrissen258, Stouffen im Hegaw verbrendt. Die Vertreter Freiburgs sind der Meinung, mit ihnen zu handeln (diese Gefangenen zu behandeln), damit ander by ihnen ein Ebenbild nemen und nit so liederlich ihrer Oberkeit Eid und Er übersehen259.

Es muß noch einer ganzen Gruppe geglückt sein, rechtzeitig vor dem städtischen Rachezug zu entfliehen. Diese Leute sind in das Wiesental geflüchtet, sehr zur Beunruhigung der dortigen Bevölkerung. Einmal, weil sich das Gerücht verbreitete, die rächende Hand folge ihnen auch hierhin. Zum andern fürchten diese Gemeinden, sich den Unwillen Freiburgs, mit dem sie stets gute Handelsbeziehungen gehabt hatten, zuzuziehen durch die Aufnahme dieser Flüchtlinge, die sich ganz ohne ihr Wissen by und zu Totnaw zusammengefunden haben. Die acht Einungsmeister des Hotzenwaldes sowie Vogt und Räte der Gemeinden Todtnau und Schönau ersuchten deshalb am 20. August 1525 die Stadt Freiburg um freies Geleit zu ihr, um diese und andere Spannungen besprechen zu können260. Ob unsere Kirchzartener Bauern wieder in ihr Tal zurückkehren durften, erfahren wir leider nicht.

Mit diesen harten Maßnahmen hatte Freiburg den Ereignissen schon vorausgegriffen. Die Stadt wollte damit offenbar ihrem Landesherrn, dem
Erzherzog Ferdinand, beweisen, daß sie nur unter Druck dem Bauernbund beigetreten war, nachdem sie selbst rechtzeitig mit ihm als ihrem Landesherren Fühlung genommen und am 19. Juni seine Verzeihung erlangt hatte261. Nicht so die Bauern der österreichischen Vorlande, über denen im August immer drohender die Gefahr aufzog, daß der Erzherzog mit einem Heer in den Breisgau komme, um daselbst ein ebenso blutiges Strafgericht zu halten wie es eben erst die schwäbischen Bauern hatten erfahren müssen262. Daß es nicht dazu kam, ist das Verdienst des milden Markgrafen Philipp von Baden, der sogar persönlich nach Tübingen eilte, um seinen Vetter zu besänftigen. Er machte geltend, daß die Verträge von Offenburg und Basel die Bauern schon zu Schadensersatz verpflichten.

256 SCHREIBER: Urk. III, 50 Nr. 385,
257 EBD. III, 60 Nr. 394 vom 22. Juli 1525.
258 Zu dieser Tat bekennt sich Jakob Ziler: ... daß er die Newenburg helfen verbrennen. ZGO 34 (1882), 457.
259 EBD. III, 62 Nr. 395.
260 SCHREIBER: Urk. III, 90 Nr. 420.
261 SCHREIBER: Urk. II, 219 Nr. 339. Die Danksagung der Stadt an den Erzherzog verrät ihre Befreiung von der Angst vor dessen Strafmaßnahmen: ... sagen euer Gnaden (dem Kanzler) anstatt fürstl. Durchlaucht von wegen dises gnedigen Abschids underthenigen Danck, wellen.... fürstl. Durchlaucht hoch rühmen und preisen, solchs auch mit Darstreckung Leibs und Guets umb fürstl. Durchlaucht unsern gnedigsten Herrn verdienen. Ebd. Seite 21. Die Furcht war begreiflich, da die Stadt immerhin in den Bund der Revolutionäre eingetreten war. Um so peinlicher wirkt nun aber ihre eigene unerbittliche Härte gegen die abhängigen Talbauern, die doch gleichfalls unter dem Druck der anrückenden Haufen gehandelt hatten, teilweise gewiß nicht weniger gezwungen als die Stadt.
262 So war z. B. der Rest von Hans Müllers Haufen, der Radolfzell belagerte, von Ferdinands Heer unter Mark Sittich von Ems am 1. Juli 1525 aufgerieben worden. Hans Müller selbst wurde auf der Flucht gefangen und Mitte August hingerichtet. FRANZ: Bauernkrieg, 225. Die siegreichen Truppen haben anschließend 24 Dörfer verbrannt. Villinger Chronik bei MONE II, 98. Ebd. berichtet die Villinger Chronik, wie Weinsberg eingeäschert wurde samt 10 umliegenden Dörfern und zu Würzburg 6000 Bauern erschlagen, sibenzig burger köpft wurden. Und mit der lapidaren Feststellung schließt der Chronist das Kapitel Bauernkrieg: Item hundert mal tausend und zwaintzig taussent pauren sind allenthalben erschlagen worden.


Vertrag von Offenburg: Schließlich gelang es Markgraf Philipp, eine neue Tagung in Offenburg festzusetzen. Er selbst sowie die Stadt Basel hatten die Aufgabe, durch Vermittlung den Vertrag zustande zu bringen, der vor allem die österreichischen Untertanen aus dem Breisgau und Sundgau betraf. Dieser zweite Offenburger Vertrag, der am 18. September unterzeichnet wurde, bildete nun die Grundlage für die Neugestaltung der Verhältnisse in diesen Gebieten. Besonders wertvoll für uns ist die vollständige Liste der bäuerlichen Vertreter, unter denen wir auch die Männer der Talvogtei finden. In der Anordnung der Dörfer folgen nach den österreichischen Orten im Breisgau von Staufen an und im Kaiserstuhl Kappel, Oberried, Kirchzarten, deren von Freiburg untertanen, Wilhelm Fischer von Kirchzarten und Theus Vogt von Zarten263. Insgesamt sind aus dem Elsaß 13 Dörfer vertreten, vom Breisgau 30 Orte, die aber teilweise ganze Kirchspiele darstellen.

Der umfangreiche Vertrag, der fast 8 Druckseiten umfaßt, beginnt mit Markgraf Philipps ausführlicher Schilderung, wie er sich in eigner Person gen Tübingen verfügt habe, um Erzherzog Ferdinand klarzumachen, daß dem Feldzug in den Breisgau, den dieser vorhatte, nichts anders denn Verheerung von Land und Leut, auch unchristlich Blutvergießen und ander beschwerlicher und verderblicher Unrat folgen würde. Offenbar war es Markgraf Philipp nicht leicht, den fürstlichen Vetter umzustimmen. Erst uff vielfältig unser Anhalten und vlißig Bitten (hat er) zuletzt nachgeben und bewilligt, daß wir uns sampt ... Bürgermeister und Rat der Stadt Basel...in diese Handlung einlassen. Diesen beiden Tädingsleuten (Vermittler) schickte der Erzherzog alsdann ettlich Artickel zu als Richtungspunkte für die Behandlung der abgefallenen Untertanen. Unsere Breisgauer Bauern konnten sich glücklich schätzen, daß die Tädingsmänner auch diese noch harte Grundhaltung wesentlich abzumildern
verstanden.

Der erste Artikel des Vertrags verlangt nämlich Unterwerfung auf Gnad und Ungnad. Was eine bedingungslose Kapitulation bedeutet, wissen wir Heutigen nur allzu gut.

Doch führt der Vertrag weiter aus, daß uff flißig, früntlich und unterthänig Bitten unser, Markgraf Philippsen, und der Stadt Basel Gesandten die Ungnad gegen die Unterthanen uff hernach folgende Artickel gemäßigt und gemildert würde.

So zieht der 2. Artikel einen Schlußstrich unter das Vergangene, er verlangt Auslieferung der noch vorhandenen Fähnlein sowie der bäuerlichen Vertragbriefe. Die Verträge selbst mit allen ihren Verpflichtungen, mit denen sich die Bauern untereinander verbanden, werden für null und nichtig erklärt, sie „sollen al tod und ab sein“. Der 3. Punkt betrifft die vollständige Entwaffnung. Alle Bauern müssen ihre Waffen den fürstlichen Kommissaren abliefern. Wenn sie dann einen neuen Treueid abgelegt haben, erhalten sie diese jedoch auf unterthäniglich Bitten ....us sondern (besonderer) Gnaden wieder zurück. Im 4. Paragraph werden die alten Rechtsverhältnisse wieder hergestellt, die Bauern sollen ihren Herren von Neuem schwören, ihnen getreu und gehorsam zu sein...und alles das thun, so sie ihnen hievor dem Uffrur gethan haben. Und soll ein jedes Dorf sich mit seinen Herren oder Junckern auf das fürderlichst vertragen. Dieses Vergleichen mit den Herren schließt selbstverständlich allen Schadenersatz ein. Ausdrücklich wird festgelegt, daß die jeweiligen Herren auch dafür zu sorgen haben, daß ein Schaden, den ihr eigener Bauer in einer andern Herrschaft angerichtet hat, von dem Täter ersetzt wird. Das trifft z. B. für Kirchzartener Bauern, die bei Wiesneck mitgeplündert haben, insofern zu, als sie nun von Freiburg zu einer Wiedergutmachung an den Herrn von Landeck veranlaßt werden müssen. Im Sinn dieser Bestimmung hatte schon vor Abschluß des Vertrags, schon wenige Tage nach Beginn der Offenburger Tagung (1. September 1525) Junker David von Landeck an Freiburg geschrieben, d.h. über die vorderösterreichische Regierung in Ensisheim schreiben lassen, daß Freiburgs Bauern im Kirchzartener Tal noch etliche Hakenbüchsen von der Einnahme der Burg Wiesneck her in Besitz hätten. Die Regierung befahl mit allem Ernst, daß die Stadt die Bauern anhalten soll, daß sie die gedachten Büchsen gütlichen wyder antworten und nit verhalten264. Der 5. Abschnitt regelt die kirchlichen Verhältnisse, mit denen es bis uff ein weiter Ordnung und Fürsehung beim alten bleiben soll265. Der 6. Artikel bietet die Grundlage für die Prozesse um Leib und Leben. Ganz anders als bei dem Standrechtsverfahren, das im Schwäbischen und im Elsaß so viel Blut fließen ließ, sollen jetzt alle zweifelhaften Fälle sogar der höheren Instanz, dem landesfürstlichen Malefizgericht, das mit Landsassen besetzt ist, vorgestellt werden. Zunächst stand das Urteil selbstverständlich bei den beauftragten Kommissarien, welche die Rädlinführer oder Hauptsächer nach eins jeden Verschulden und Verdienen strafen sollen, jedoch erst, nachdem sie gnugsamlich verhört und gründliche eigentliche Erkundigung angestellt worden ist. Im 7. Absatz werden alle Bruderschaften, Versammlungen und sogar Zusammenrottungen auf einer Kirchweih266 — diese hatten schon als Ausgangspunkt bei den Bundschuh-Unruhen eine Rolle gespielt — unter Lebensstrafe verboten. Zum Achten. Ein jedes Dorf, Wiler oder Hof soll mehr gedachten unserm lieben Herım und Vettern und seiner fürstlichen Gnaden zu Straf für Brand- und Plünder-Schatzung von jedem Huß sechs Gulden geben. Diese Brandschatzung durch den Landesfürsten lief also neben der Wiedergutmachung gegenüber den unteren Herrschaften, die wie z. B. Freiburg ihre seinerzeit den Bauernhaufen abgelieferten 3000 Gulden direkt eintrieben. Für diese landesfürstliche Brandschatzung wurden wieder Verzeichnisse angelegt, die auch für Kirchzarten sehr willkommene Angaben enthalten. Punkt 10 des Vertrags zeigt ein für diese aufgeregte, rauhe Zeit auffallend wohlwollend-gerechtes Denken. Wie aus verschiedenen Stellen hevorgeht, handelt es sich bei den geforderten 6 Gulden um eine Belastung des Grundbesitzes, mit welcher der Erzherzog seine militärischen Ausgaben, die ihm der Aufruhr verursacht hatte, finanzieren wollte. Hier aber werden Witwen und Waisen von der Veranlagung ausgenommen, es sei denn, daß sie sich in den schwebenden Uffruren mit Worten, Rath, Hilf oder That ungeschickt gehalten hätten. Das gleiche gilt für solche Personen, denen schon von ihrer Obrigkeit ihre Häuser verbrannt und ihr Vieh weggenommen worden ist. Dieser Passus ist für Kirchzarten entscheidend, denn wie wir hörten, hatte Freiburg als nähere Obrigkeit bereits strenge Exekutionen durchgeführt. Vermutlich dürfen wir in der gleich zu erwähnenden Brandschatzungsliste von 1525267 beim Ort Kirchzarten die Bemerkung item sie gend kein prantschatzung in diesem Sinn erklären. Artikel 11 sucht in noch höherem Maß gerecht zu sein: Leute, die den Bauern nit anhängig gewesen, sondern bei ihren Oberkeiten und Herrschaften beständig belieben, sollen mit diesem Anschlag nicht beschwert werden. Im Gegenteil, soweit sie Verluste erlitten haben, sollen ihnen diese ersetzt werden, und zwar von denen, die den Schaden zugefügt haben. Unter Nummer 12 wird ausdrücklich die Sippenhaftung bei den Rädelsführern abgelehnt: Die Hinterbliebenen von Hingerichteten haben lediglich die Unkosten zu erstatten, im übrigen bleibt ihnen das Gut erhalten. 13. Dagegen wird das ganze Gut derer eingezogen, die sich durch Flucht der Strafe entzogen haben. Ihre Frauen und Kinder sollen ihnen nachgeschickt werden, — also etwa jenen Kirchzartenern, die wir als Flüchtlinge im Wiesental angetroffen haben. Aus der beschlagnahmten Masse bekommt zunächst der Fürst seine 6 Gulden, der Herr oder Junker 3 Gulden; alles übrige soll zur Wiedergutmachung geschädigter Untertanen verwendet werden. Unter Punkt 14 wird sogar den Entflohenen ein ordentliches Gericht und das fürstliche Begnadigungsrecht vorbehalten. Und noch einmal (15) wird die Flüchtlingsfrage — es muß also deren viele gegeben haben— aufgegriffen mit der Bestimmung, daß niemand diesen Leuten, auch solchen aus andern Herrschaften Unterschlupf gewähren dürfe, nicht einmal die eigenen Verwandten. Diese sind jedoch nicht zur Anzeige verpflichtet wie die sonstigen Untertanen. Artikel 16 bietet eine gute Grundlage für die Zukunft: Jede
Klage oder Beschwerde der Untertanen gegen ihre Herrschaft oder deren Amtleute — Amtsmißbrauch war tatsächlich eine der Ursachen der Revolution — sollen bei den landesfürstlichen Behörden vorgebracht werden. Diese werden die Beanstandungen prüfen und die Bauern unbilligerweise zu drängen nit gestatten.

Den Abschluß dieser, für unsere Gemeinde so lebenswichtigen Vereinbarung bildet der Bericht, daß der Erzherzog diesen Vertrag als Landesfürst und Oberherr bewilligt und angenommen hat. Markgraf Philipp von Baden, der Hauptinitiator, sowie Bürgermeister und Rath der Stadt Basel als Unterthädinger ebenso die Städte Straßburg und Offenburg als die Anwäld der Unterthanen obgemelt besiegeln diese wichtige Urkunde, von der Leben und Wohlstand so vieler Menschen abhing, uff den 18. Tag des Monats Septembris Anno Domini fünfzehnhundert und im fünfundzwanzigsten.

263 GLA 74/4573 enthält mehrere, z. T. gekürzte Abschriften dieses Vertrages. Er war für alle betroffenen Herrschaften wichtig als Grundlage für die weiteren Handlungen. Den Namen des Vertreters von Zarten gebe ich nach der 4. Abschrift als Theus Vogt abweichend von SCHREIBER, der wie die andern Handschriften Denis Vogt hat. Urk. III, 135 Nr. 457.
264 SCHREIBER: Urk. III, 123 Nr. 448 vom 5. Sept. 1525.
265 In diesem Sinn sprach auch der Reichstag zu Speyer 1526 von einer bevorstehenden allgemeinen Lösung der religiösen Fragen durch ein Konzil.
266 Kindhans gesteht, daß er „uf der Kilchwey zu Totnaw gwesen“. Dort muß also eine dieser berüchtigten Versammlungen stattgefunden haben, auf denen der Zug ins Kirchzartener Tal vorbereitet wurde. — SCHREIBER a.2.0.
267 ZGO 37, 94.
 
Wiedergutmachung und Säuberungsaktionen: Immer noch hing viel von der Art und Weise ab, wie nun die verschiedenen Herrschaften sowie die vorderösterreichischen Regierungsstellen diese hier festgelegten Grundsätze im einzelnen handhabten. Wie eifrig sie sich um den Vertrag bemühten, beweisen schon die zahlreichen noch erhaltenen Ausfertigungen. Das Generallandesarchiv besitzt auch noch eine Unterlage, die direkt aus der Praxis der Durchführung der hier angeordneten Brandschatzung stammt: Undericht und Entscheid, wie es nach gemelter Artükel halber (mit) der Brantschatzung gehalten werden sol. In seiner Unbeholfenheit des Ausdrucks wie der Schreibweise bietet es rein sprachlich neben seltenen Wörtern eine Fülle von mundartlichen Formen, wie wir sie in amtlichen Schriftstücken in genormter Schreibweise nie finden.

Diese Instruktion268 geht von Artikel 8 des Vertrags aus, welcher alle Häuser des vorderösterreichischen Gebietes mit einer Abgabe von 6 Gulden belegt. Mit dieser allgemeinen Bestimmung sollen die beiden folgenden Artikel in Einklang gebracht werden, welche die Unschuldigen verschonen wollen. Dabei bleibt in der Auslegung immer noch Spielraum für eine gewisse Willkür. So etwa, wenn die Gemeinden für die 6 Gulden aufkommen müssen bei Häusern, die wegen Schuldlosigkeit der Besitzer verschont werden; hiervon steht nichts in dem Offenburger Vertrag. Solche Fälle liegen vor, wenn der Besitzer eines Hauses, das einem Eigentümer in der Stadt gehört, schuldlos ist, ebenso bei Geistlichen, die zu dem Fürnehmen der Bauern weder geraten noch geholfen haben. Jedoch sollen Pfaffen, so mit den Purren gezogen wie andere Mitläufer die 6 Gulden entrichten. In gleicher Weise werden Häuser von Witwen, die nicht beteiligt waren, von Kirchwarten, Bannwarten und Hirten, die weder geraten noch geholfen haben, behandelt: in allen Fällen muß die Gemeinde aufkommen. Diese extreme Ausdeutung als Grundlast
zeigt sich auch in der Abgabepflicht von baufälligen, abgängigen Häusern und unbewohnten Neubauten.
 
Unseren eigenen Erfahrungen stehen die Bestimmungen über die Schuldigen, die Mitläufer, besonders nahe. Man hat sie härter angefaßt, als es in unserer Zeit üblich war. Wer von Amtleuten oder sonst wie zur Teilnahme, zur Mitgliedschaft gezwungen war, soll nix dester weniger die Brantschatzung zalen. Es bleibt ihm aber vorbehalten, diejenigen, die ihn gezwungen haben, zur Ersatzpflicht heranzuziehen. Punkt 18 des Unterrichts erklärt uns, weshalb das Brandschatzungsverzeichnis unter Kirchzarten eigens die Häuser von 3 Witwen anführt: Diese müssen gleichfalls die 6 Gulden bezahlen, wenn sie den uffrurigen Burren mit Wort oder Werken angehangig, hilflich oder retlich gewesen waren. Genau wird festgesetzt, daß Neuverheiratete nur dann frei ausgehen (und die Gemeinde die 6 Gulden zahlen muß), wenn beide der Sach unschuldig sind. Frei gehen auch solche Männer aus, die beim Heer des Schwäbischen Bundes gedient und somit gegen die Aufständischen gekämpft haben. Doch müssen solche Heimkehrer sich durch Paßporten ausweisen können. Und wiederum zahlt die Gemeinde, denn für die Geldeintreiber ist letzten Endes die Anzahl der Häuser maßgebend, nicht Schuld oder Unschuld. Unter diesem Gesichtspunkt muß auch ein Mann, der neben seinem
Wohnhaus noch unbewohnte Häuser sein eigen nennt, für diese gleichmäßig zahlen.

Neben solchen Instruktionen besaßen die ausführenden Organe für die Brandschatzung eine weitere Handreichung in dem Offiziellen Häuser-Verzeichnis behufs der Entschädigungsgelder nach Niederwerfung des großen Bauernaufstandes, wie POINSIGNON seinen Fund im Freiburger Stadtarchiv bezeichnet hat269. Der Hauptwert dieser Aufstellung für uns liegt in der Einsicht, die wir über die Größe unserer Dörfer gewinnen können. Von den 152 aufgeführten Gemeinden berühren die folgenden unser Dreisamtal:

Kilchzartten und zun Höfen hat 35 hüser von gmeynen lütten, item 3 pfaffen hüser, item 3 witwe hüser. item 8 hüser sind besetzt mit huslütten (vermietet). item sie gend kein prantschatzung; und heist der Vogt Petter Fry270
Tietenbach hat 4 hüser mit der verbrennten hoffstat, item sie gend kein prantschatzung; und heist der vogt Oswalt Herbort.
Oberriett hat 23 hüser von gmeynen lütten, item des vogts verbrente hoffstat. item 3 witwe hüser. item 2 lere hüser. item sie gend kein prantschatzung; und heist der vogt Claus Wirbser.
Wilerspach hat 8 hüser von gmeynen lütten, item 1 ler hus. item prantschatzung ist bezalt; und heist der vogt Symon Oetlj.
Wisneck hat 5 hüser von gmeynen lütten. item 1 fry hus. item prantschatzung ist bezalt; und heist der vogt Hans Wirbstein.
Buchenbach hat 16 hüser von gmeynen lütten, nütz me, item prantschatzung ist bezalt; und heist der vogt Heinrich Heintzler.
Wagensteig hat 13 (hüser) von gmeynen lütten, nütz me, item sie sind noch etwas an der prantschatzung schuldig, weisz man zu Friburg wol, wie vil; und heist der vogt Martin Schnider.
Under Yben und Stegen hat 28 hüser von gmeynen lütten, nütz me. item prantschatzung ist zalt; und heist der vogt Cunrat Hug.
Burg, Zarten und Gerestal hat 34 hüser von gmeynen lütten on Kindhansen hus und hoff271. item 4 witwe hüser. item 2 lere hüser. item sie gend kein prantschatzung; und heist der vogt Matheus Vogt.
Attental hat 4 hüser von gmeynen lütten, nütz me. item prantschatzung ist bezalt; und heist der vogt Anstat Karer.
Falkenbühel272 hat 4 hüser von gmeynen lütten, nütz me. item prantschatzung ist bezahlt; und heist der vogt Ulrich Douber.
Ebnett hat 20 hüser von gmeynen lütten. item 2 hüser sind Junkher Davids273, item 2 witwe hüser. item 1 pfaffen hus. item Bernhart Dreyers hus, ist nit bürisch, und heist der vogt Jörg Dreyer.
Lüttenwiler hat 23 hüser ingmeynd von lütten. item 2 witwe hüser. item 1 ler hus. item prantschatzung ist bezalt; und heist der vogt Melcher Im Höflin.
Capel hat 18 hüser von gmeynen lütten. item 1 pfaffen hus. item 2 lere hüser. sint in 50 iaren nit brucht. item sie gend kein prantschatzung; und heist der vogt Petter Sidler.
Fischbach hat 3 hüser von gmeynen lütten, item gend kein prantschatzung; heist der vogt Jörg Sitz.
Nüwhüser und Wulfenbach hat 9 hüser von gmeynen lütten, sunst nütz me, item prantschatzung ist bezalt; und heist der vogt Hans Giger.
Miswend hat 7 hüser von gmeynen lütten.
Falkenstein hat 5 hüser von gmeynen lütten.
Espach under Junkher David (von Landeck) hat 7 hüser von gmeynen lüten.

Eine weitere Handhabung für die Säuberungsaktion bot das im Freiburger Stadtarchiv liegende Verzeichnis der Rädelsführer der Bauern im Breisgan, den erzherzoglichen Commissären auf deren Verlangen übergeben. Wenn diese Regierungsbeauftragten in Durchführung des Offenburger Vertrags an Hand der Ausführungsbestimmungen, der Unterrichtung, vorgingen, fanden sie hier aus einem halben Hundert Ortschaften ein Mehrfaches von Personen genannt, manchmal näher gekennzeichnet als der rechten Knaben einer oder recht schuldig oder nur beschrieben wie in Schliengen: Ist ein kleins Männli, zu Offenburg auf dem Tag gewesen, do soll man den Münzmeister zu Thann beschicken, weiß ihn wohl zu nennen; er ist recht schuldig. Mit dem Kirchzartener Talgang beginnt die Aufstellung:

Unter denen von Freiburg: Kindhanns ist Hanns Müllers Lüttenant gewesen. Hans Menz, Hauptmann im Thal274. Hans Walch, Wachtmeister. Der jung Peter Fry, Fourier. Sunst ist Hans Hitz, Hans Kern, Werlin Irmler und der jung Lang Hans fast (— stark, fest) dieser Sachen angehangen; so ist der Meßmer von Kilchzarten fast in diesem Handel verdacht. Zu St. Peter: Schriber Hans, der rechten Knaben einer. Zu Ebner: Lenz Seger275

Dann erst folgen Staufen und die Orte des oberen Breisgaus, mit denen sonst die Verzeichnisse beginnen. Wer von den genannten Männern nun direkt aus Kirchzarten war, ersehen wir aus dieser Aufstellung nicht. Kindhanns z. B. kennen wir durch sein Gerichtsprotokoll, er stammt aus Zarten. Peter Fry hängt möglicherweise mit dem derzeitigen Vogt in Kirchzarten zusammen, vielleicht ist er identisch mit dem auf dem Wochenmarkt in Freiburg gefangen genommenen Peter Frey, für den sich dann die Städte in Basel verwenden.

Besonders interessant ist die Zusammenstellung der Geistlichen, die mit den Bauern in Verbindung standen. Das sind die Geistlichen („Pfaffen“) zu Staufen, Schliengen, Kilchzarten, Sexau, Gündlingen („ist gewichen“) und Todtnau276. Wenn die Liste vollständig wäre, müßte auch Andreas Metzger aus Badenweiler, Pfarrer in Niederrimsingen, unter ihnen erscheinen. Er war mit dem dortigen Fähnlein gen Wolfenweiler gezogen, dann nach Haslach, und vor das Munzinger Schloß, wo er „demselben Edelmann helfen den Win ußtrinken, er selbs im Winkeller gewesen, den Win ufftragen und usgeben“, wie er im Verhör gesteht. Auch habe er demselben Edelmann drei Sack Korn von dem Kasten (Kornspeicher) herab auf den Wagen getragen und „doby die üppigen Reden triben“. Mit Erlaubnis seines Hauptmanns von Tiengen habe er 4 Bücher mitgenommen: Das alte Testament in zwei Teilen, die deutsche Postille und ein Predigtbuch des Geiler von Kaisersberg. Schließlich gibt er sogar zu, beim Plündern und Zerstören in Munzingen mitgewirkt zu haben. Vermutlich wurde er „peinlich“, d. h. mit der Folter, befragt. Als weitere Teilnehmer am Aufruhr nennt er den alten Kirchherrn Hanns mit dem Crütz sanct Johannis-Orden, Herrn Erhart von Wipeltzkirch (Wippertskirch Gem. Waltershofen) und Herrn Hans von Gündlingen. Das Freiburger Stadtgericht verurteilt ihn am 31. 1. 1526. „daß man den Pfaffen auf einen Karren soll setzen und hinaus zum Galgen zu eim Baum daselb füren und ihn mit eim Strangen an ein Nast (Ast) knüpfen und ihn daran also lassen hangen. Andern zu eim Bispil und Exempel"277. Der Pfarrer von Kirchzarten hat
vielleicht ein besseres Urteil erhalten, wir kennen nur seine Rechtfertigungsschrift vom 9. August, worin er neben der Richtigstellung der Mißverständnisse über seine Predigten278 zwar zugibt, mitgezogen zu sein, aber darzu von ihnen gezwungen und trungen. Dagegen habe er die Bauern nie darin bestärkt, daß sie im Recht seien; denn so ich das hätt gethan, wär es wider die heilge Geschrift und würdig zu strafen. Anscheinend ist hierauf nichts erfolgt, auch nicht das Geleit nach Freiburg zur Rechtfertigung, um das er gleichzeitig bat. Pfarrer Ulrich Wesener nimmt am 1. Oktober in einem weiteren Schreiben auf dieses erste Bezug und fleht, ein ersamer Rat (wolle) um Gots willen ansehend die Straff, die über mich gangen ist, daß man mir das Min het gnomen, auch Hußrat und anders mer, deß ich dann gar verdorben bin, und wellend mir schriftlich geben Frid und ein sicher Geleit, heim zu komen zu
miner Pfründ, die Kilchen zu versehen. Er werde sich dann halten, wie ein fromer Priester thun soll und will minen Unterthanen keinen Irsal predigen, wie man ihm vorwerfe. Er kenne die schweren Vorwürfe, die gegen ihn erhoben werden, wegen deren er sich aber sehr wohl vor dem Rat verantworten werde. Habe er wirklich unrecht getan, so sei es ihm leid. Und es dünke ihn, er sei genug bestraft279, ietz und vormals zu Costnitz. In Konstanz also war er schon vor das bischöfliche Gericht gezogen und anscheinend be-
straft worden280. So eifrig betrieb auch Bischof Hugo von Hohenlandenberg von Konstanz die Maßregelung der Geistlichen, daß er in Freiburg eigens zwei Kommissare einsetzte, Magister Johannis Caesar und Alt-Obristmeister Ulrich Wirtner, die Erkundigungen einziehen und mit Hilfe der weltlichen Behörden aufrührerische Pfarrer verhören sollten281.

Leider bleiben wir im unklaren über die Strafen von Pfarrer Wesener282. Ebenso kennen wir nicht das weitere Schicksal der ins Wiesental geflüchteten Kirchzartener. Wir wissen auch nicht, wann Peter Frey und seine Leidensgenossen wieder aus dem „Diebsturm“ in Freiburg nach Kirchzarten zurückkehren durften, nachdem sich Wilhelm Vischer von Kirchzarten — offenbar eine sehr angesehene Persönlichkeit, er hatte die Talschaft in Offenburg vertreten — Theus Vogt von Zarten und Blesin Sparhow, seßhaft in Okgen (Auggen), für die drei mit 1200 Gulden verbürgt hatten, daß die Angeklagten nach vorlaufiger Entlassung aus der Haft uf ein Verschriben des... : Rats der Statt Fryburg sich widerumb stellen283 würden.

Genau erfahren wir dagegen das schwere Schicksal des Kindhans: „Actum uff Sambstag nach Lorency (12. August 1525) ist Ulrich Kindhansen Sun dem Nachrichter befohlen, daß er ihn us soll füren und mit dem Schwert richten“284.

„Hannsen Ziler ist (1526) das houpt abgeschlagen wurden“285.

Gern wüßten wir auch etwas von jenen, die beim Rachezug ihr Leben lassen mußten oder ins Gefängnis wanderten. Und wie viele mögen in der Fremde geblieben oder auf einem der Züge umgekommen sein?

268 GLA 74/4573.
269 ZGO 37, 79.
270 Vermutlich ist der Petter Fry identisch mit jenem Peter Fry, der im Sommer, als er den Wochenmarkt in Freiburg besuchte, dort in den Diebesturm gesperrt wurde. SCHREIBER: Urk. III, 60 Nr. 394. Vergleiche oben Seite 329.
271 Ulrich Kindhansen Sun von Burg wurde als Rädelsführer am 12. 8. 1525 hingerichtet. SCHREIBER: Urk. III, 57 Nr. 392 a.
272 Beim Baldenweger Hof, Gem. Ebnet, am Ausgang des Wittentals.
273 Daß die Untertanen Davids von Landeck in Dietenbach, Mißwende, Falkensteig, Falkenbühl, Ebnet, Littenweiler, Wiesneck, Eschbach sich ihrem Herrn auf Gnade und Ungnade ergeben und von neuem geschworen haben, erfahren wir aus einem Schreiben der Regierung in Ensisheim vom 25. 8. 1525, mit welchem sie Freiburg von Gewalttaten gegen die genannten Orte zurückhalten will, besonders, da si nichts gegen die Stadt unternommen
hätten. SCHREIBER: Urk. III, 105 Nr. 434.
274 Hans Menz war im Tal führender Hauptmann: an ihn wendet sich die Stadt. Siehe oben Seite 319 (Blatt 26a).
275 Ein Seger war bei den Plünderern in der Kartaus. Siehe oben Seite 318.

276 SCHREIBER: Urk. III, 157 Nr. 468.
277 SCHREIBER: Urk. III, 218 Nr. 502.
278 Vergleiche oben Seite 31Cf und Seite 324.

279 Offenbar war also das Pfarrhaus bei den Häusern, die bei der Exekution geplündert und verbrannt wurden.
280 SCHREIBER: Urk. III, 80—81 Nr. 411—412.
281 EBD. Einl. Seite XXIX.
282 Vielleicht erging es ihm ähnlich wie dem Pfarrer von Bräunlingen, der auch mit den Bauern gezogen war, er was aber darzu gezwengt. Nach 4 Wochen wurde dieser aus seiner Haft in Villingen (?) wieder entlassen und mußte 8 Gulden zu Straf geben. (HUG: Villinger Chronik Seite 147).
283 SCHREIBER: Urk. III, 59 Nr. 393 vom 15.7. 1525.
284 EBD. III, 59 Nr. 392,
285 ZGO 34 (1882) Seite 457.


Schadensersatz der kleinen Herrschaften: Noch stand eine letzte Stufe in der Liquidierung des Aufstandes aus. Zuerst hatte der Landesherr, der österreichische Erzherzog Ferdinand, als Ersatz seiner Auslagen von jeder Herdstatt im ganzen vorderösterreichischen Gebiet 6 Gulden eingezogen286. Dann kam die Aktion zur Bestrafung und zum Schadenersatz durch die Inhaber der kleinen Herrschaften, zu denen auch die Stadt Freiburg gehörte, und, ebenfalls aus unserem Gebiet, Junker David von Landeck zu Wiesneck, und zwar gegenüber den eigenen Untertanen287.

Nun stand noch die verwickeltste Forderung aus: die gegenüber Untertanen aus fremden Herrschaften, eigentlich eine unlösbare Aufgabe, da die Bauernhaufen ja meist aus Untertanen verschiedenster Herrschaften zusammengewürfelt waren.

Für diese Aufgabe ernannte Erzherzog Ferdinand am 7. November 1525 eine Kommission aus Adeligen und Bürgermeistern288. Dann erfolgte ein Ausschreiben, daß die Schadensforderungenn aufgestellt und womöglich bis zum 6. Dezember die Fälle schon gütlich geregelt werden sollten. Die Gesamtsumme dieser Aufstellung belief sich auf 100000 Gulden, von denen z. B. 30000 Gulden für den Wiederaufbau des völlig eingeäscherten Klosters Tennenbach bestimmt waren. Freiburg forderte 20000 Gulden, deren Ausgabe u. a. auch durch die neu eingestellten Landsknechte verursacht war.

286 Vergleiche oben Seite 333 fl.
287 Vergleiche oben Seite 324 f.

288 SCHREIBER: Urk. III, 174 Nr. 473
 
Tagung in Villingen: Um zu einem Abschluß zu kommen, wurde nun eine Tagung auf den 9. April 1526 nach Villingen anberaumt. 150 Einladungen waren ergangen, darunter namentlich angeführt als Gewalthaber über Kirchzarten, die Stadt Freiburg. Ebenso die andern Herrschaften der Talorte.

Der Abschied dieser letzten größeren Tagung vom 14. April bestimmt zunächst, daß die Gesamtheit der Untertanen die 3000 Gulden wieder erstatten müssen, die als Brandschatzung von den Bauernhaufen in Freiburg von den Rittern und Prälaten erhoben worden waren. Ferner sollte alles geraubte Gut, soweit es noch ausfindig zu machen war, wieder zurückgegeben werden. Nach besten Kräften sollen die Bauern mithelfen, die Zinsregister und Schuldurkunden, soweit sie während des Aufruhrs vernichtet worden waren, wieder herzustellen. Da auch die kleinen Herrschaften sich für ihre Mühe und Aufregungen schadlos halten wollten, wurden die Bauern mit einer der landesherrlichen Abgabe ähnlichen Leistung belegt: Von jeder damals beigezogenen Hofstatt sollten nun 3 Gulden 1 Batzen an die Stände entrichtet wer
den289. Als einziges Entgegenkommen kann man es betrachten, wenn wegen Fischens, Jagens und Vogelfangens in diesen Jahren keine Strafen verhängt wurden; doch sollte fürderhin der alte Zustand, der diese Rechte dem Adel vorbehält, wieder hergestellt werden290. Selbstverständlich waren mit diesen Bestimmungen die Schwierigkeiten noch nicht aus der Welt geschafft. So wünschen z. B. die vorderösterreichischen Stände, daß auch die Untertanen des Markgrafen Ernst, die ebenfalls zu den im vorderösterreichischen Breisgau plündernden Haufen gehört hätten, für diesen allgemeinen Lastenausgleich beigezogen werden291.

289 Der Gulden zu 12'/2 Schilling Pfennig Rappen gerechnet.
290 Der Villinger Abschied GLA 74/4573. Über die genauen Vorgänge vergleiche HARTFELDER: Bauernkrieg, 362 ff., sowie SCHREIBER: Urk. III, 228 Nr. 506.
291 ZGO 34 (1882), 442.
 
Forderungen der Kirchzartener: Ahnlich möchten sämtliche Gemeinden im Kirchzartener Tal, daß auch die Bauern auf dem Schwarzwald, die gräflich fürstenbergischen Untertanen, einen Teil der Wiedergutmachungslasten übernehmen, wie sie auch Anteil am Plündern und Beutemachen gehabt hätten. Dieses Schreiben vom 10. Januar 1526, das heute noch im fürstenbergischen Archiv zu Donaueschingen liegt, begibt sich in jenen unerfreulichen Streit über die Priorität der Schuld. Wenn die Schwarzwälder nicht gewesen wären, meinen die Kirchzartener, wären sie überhaupt nicht in die ganze Affäre hineingezogen worden. Dieses Schreiben ist für uns noch deshalb von besonderem Interesse, weil es ein Licht wirft auf die Vorgeschichte des Aufstandes und auf das Verhalten der Kirchzartener. Sie hätten nämlich, so schreiben sie, den Beitritt zur Bruderschaft abgelehnt. Trotzdem seien die Fürstenberger und andere Bauern, die jetzt ebenfalls angeschrieben werden, ins Tal herabgezogen mit dem großen Haufen. Sie hätten dann, so behaupten sie jetzt, es bei ihrer Ankunft im Tal mehrfach abgeschlagen, dem Haufen Hans Müllers zu huldigen unter Hinweis auf ihre Bindungen an die Stadt und die andern Herrschaften. Ja, sie hätten sich bereit erklärt, für alles, was der Bauernhaufen gegessen und getrunken hatte, aufzukommen und sie ganz frei zu halten, wenn sie nur wieder auf den Wald zurückkehren würden. Mit Gewalt jedoch und Drohungen und ohne eine Bedenkzeit einzuräumen, hätten die Schwarzwälder sie in die Brüderschaft gezwungen. Entgegen den Zusicherungen, sie in ihren eidlichen Verpflichtungen nicht zu behelligen, hätten sie die Talbauern doch gezwungen, gegen diese Herrschaften mit ins Feld zu ziehen. Dadurch nun sind die Leute aus Kirchzarten in große Schwierigkeiten gekom
men, viele von ihnen haben Leben, Ehre und Besitz verloren. Leute aus dem
Schwarzwälder Haufen hätten Schloß Wiesneck überfallen und geplündert. Dafür nun wolle sein Besitzer, Junker David von Landeck, die Bauernschaft des Kirchzartener Tals ersatzpflichtig machen. Sie seien deswegen zu einer Übereinkunft vor die Regierung in Ensisheim — der alle unklaren Entscheidungen vorbehalten blieben — einbestellt. Zu diesem Tag, so meinen die Männer von Kirchzarten, sollten nun auch die Fürstenberger Bauern als die eigentlich Schuldigen erscheinen und mithelfen die Lasten zu tragen292.

Der Lastenausgleich der Stände hatte natürlich mehr Gewicht. So konnten die Herren des Breisgaus tatsächlich erreichen, daß noch Tagung mit Markgraf Ernst von Baden wegen der Bauern im oberen Breisgau abgehalten wurde. Der Vertrag von Neuenburg293 vom 16. 10. 1527 lehnt sich eng an den von Villingen an. Immerhin müssen die Markgräfischen von den 3000 Gulden für Freiburg 1295 Gulden übernehmen, nachdem eine Abordnung der Breisgauer Stände sogar nach Speyer gereist war und den eben zusammengetretenen Reichstag für ihre Forderungen zu interessieren gesucht hatte, allerdings vergebens. Dazu kommen 15 500 Gulden Schadensgeld in drei Raten294.

Noch im Jahr 1533 präsentieren die Räte des Markgrafen den österreichischen Räten eine Rechnung von 8000 Gulden wegen der Zerstörung der Schlösser Höhingen und Landeck295.

Nach dem, was von außen her erfaßt und festgestellt werden kann, hat mit diesen Säuberungsaktionen und den verschiedenen Ausgleichverhandlungen das bewegte Geschehen der Bauernkriegsjahre sein Ende gefunden. Und das mit der betrüblichen Feststellung für die Gutwilligen, daß alle Einrichtungen beim alten geblieben sind, auch jene, deren Reform auch die besten der Zeitgenossen für nötig erachtet hatten. Von großem Idealismus beseelt, hatten tatkräftige Männer eine Bewegung entfacht, deren sie nicht mehr Herr wurden, als jene selbstsüchtigen Mitläufer, die sich immer so rasch einstellen, „alle Bande frommer Scheu lösten“ und den Gegenkräften schließlich recht gaben, bis auch diese wieder durch die blutige Grausamkeit ihrer Racheakte die innere Berechtigung verspielten. Die Leidtragenden aber blieben beidemal die kleinen Leute, die friedliche Bauern bleiben wollten. Ihr Leid ist auch in Kirchzarten nicht aufgezeichnet, das Leid, das aus den verbrannten Häusern, den Gräbern und Kerkerzellen und den verarmten Familien noch auf Jahre
hinaus die Gemüter verdüsterte.

292 BAUMANN, Akten, 411 Nr. 440.
293 GLA 74/4573.
294 SCHREIBER: Urk. III, 233 Nr. 507 und Hartfelder a.a.O. 367 ff.
295 SCHREIBER a.a.O. Einl. Seite XX VIII.


d) Der Rappenkrieg

Noch einmal lassen bäuerliche Unruhen die Nähe der freien Schweiz und der nicht minder auf freie Selbstbestimmung bedachten Hotzenwälder Bauern erkennen. Der Umsicht des Talvogts in Kirchzarten ist es zu verdanken, daß diese Bewegung des Jahres 1614, die sich das Kirchzartener Tal als erstes Ziel gesetzt hatte, in ihren Anfängen unterdrückt werden konnte.

Der Bauernkrieg hatte, wie wir sahen, die wirtschaftliche Notlage der Bauern nicht erleichtert. Unter den wachsenden Geldbedürfnissen der Landesherren wurde sie im Lauf des 16. Jahrhunderts noch verschärft. Als Herzog Sigismund den verpfändeten Breisgau vom Burgunderherzog Karl dem Kühnen 1474 wieder auslöste, bewilligten ihm die Stände neben den andern Steuern auf 5 Jahre eine Sonderabgabe, einen Rappen auf jede Maß Wein, die ausgeschenkt wurde. Solche „Luxussteuern“ sind bei den Pflichtigen jederzeit unbeliebt und wir verstehen den Ausdruck „Böser Pfennig“, den der Volksmund dafür fand. Vor allem machte es böses Blut, daß die Stände ihn immer wieder genehmigen sollten. Als in einer Notzeit 1612 die Forderung wieder erhoben wurde, setzten sich die bäuerlichen Vertreter des Dritten Standes zur Wehr, vor allem gewisse Gruppen aus dem Hotzenwald. Als schon bewaffnete Scharen vor Waldshut und Rheinfelden zogen und auch die Regierung Söldner dorthin warf, kam schließlich durch Vermittlung von Basel und einzelner Eidgenossen ein Vergleich zustande (15. 9. 1614)296. Unter der Bauernschaft gährte es aber weiter. Ein Mittelpunkt solcher Verschwörungen bildete sich auf dem Turner, im „Stüble“ am Benediktinerwald sammelte der Bauer Wolf Schwer von der Spirzen am Fastnachtssonntag 1613 und in der folgenden Zeit schon 400 Mann um sich. Sein willigstes Werkzeug war der Bauernsohn Martin Haizmann aus Neukirch, der bei ihm als Knecht diente. Die Organisation des Haufens erinnert an den Bauernkrieg: Oberst sollte Thoman Martin, der Bauer vom Erlenbach, sein, dazu ein Hauptmann, Fähnrich, Leutnant usw., Andreas Ketterer sollte das Pulver liefern. Termin für den Aufbruch war der Ostersonntag. „Bewehrt“ sollte es da über St. Peter nach Weiler, Bickenreute, Kirchzarten und Ebnet gehen, wo man die Schlösser brechen und das Kloster überfallen wollte. In Freiburg war es auf die Studenten abgesehen. Auch Villingen stand im Plan. Von Haus zu Haus wollte man ziehen und alle Bauern, Knechte, Taglöhner und Jungen über 15 Jahre zum Anschluß zwingen, „damit es einen rechten Bauernkrieg gebe“.

Doch der Talvogt bekam Kunde von den Plänen. Der Haufen zerstreute sich, Martin Haizmann konnte entfliehen, er wollte über den Hotzenwald in die Schweiz. Doch bei Waldshut ereilte ihn das Schicksal. Er wurde schließlich in Ketten gelegt. Die Folter tat ihren Teil. Und mit seiner Hinrichtung endete diese Verschwörung, die Kirchzarten und dem Tal verhängnisvoll hätte werden können ohne die Aufmerksamkeit unseres Talvogts297.


296 BADER: Der Rappenkrieg. Badenia III (1844) Seite 114. DERS.: Martin Haizmann. Badenia II (1862) Seite 1. — SCHREIBER: Geschichte III, 338
297 WOHLEB: Der Rappenkrieg. Alem. Heimat III (1936) Nr. 17