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„Der Bunker beim Baldenweger Hof in Wittental“

Oskar Steinhart
Stegen, den 30.03.2016
 


Als im April 1945 der sogenannte „Ernst des Lebens „ beginnen sollte, war ich gerade sechs Jahre alt. Meine Einschulung bestand bevor und der Schulweg führte mich und meine Schulkameraden an einer interessanten Stelle vorbei. Was es mit ihr auf sich hatte und für welchen Zweck sie eingerichtet wurde, erfuhren wir erst nach und nach. Es hat sich unter uns angehenden Schülern herumgesprochen, dass dort ein Bunker sei. Der erste Kontakt mit dem „Stollen“, ergab sich mit der Einschulung in die Wittentäler Schule. Bereits im November/Dezember 1944 sind wir als zukünftige Erstklässler, zur Schule auf den Turnplatz in Wittental zitiert worden, um den in der damaligen Zeit üblichen „Deutschen Gruß“ zu lernen. Auf dem Hin- und Rückweg (ohne Begleitung von Erwachsenen) sahen wir zwei Loren auf Schienen und zwei Bunkereingänge, die wir bisher nicht kannten. Eine Baracke war dort aufgestellt- vermutlich zur Unterbringung von Arbeitsgeräten- oder sonstigem Material (Robert Thoma Attental, aufgrund mündl. Befragung). Zunächst fiel die für uns im April 1945 geplante Einschulung aus. Das Lehrer- Ehepaar Theodor Aigeltinger hatte sich in seiner Wohnung selbst, aus politischen Gründen erschossen und ein neuer Lehrer stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Der erste Schulunterricht begann dann nach dem verlorenen Krieg und zwar im Oktober 1945. Somit hatten wir vom Frühjahr bis Herbst 1945 unsere ersten (nicht geplanten) Schulferien.

Von Oktober 1945 an gingen wir auf dem Schulweg zur Schule regelmäßig direkt am Bunker vorbei. Dort war in
westlicher Richtung eine Schiene am Boden verlegt und oben am Stolleneingang standen zwei Loren. Unsere Neugier war natürlich groß um diese uns imponierenden, eigenartigen Geräte nicht genauer zu untersuchen. Schließlich hatten uns die älteren Schüler allerlei verschiedene Geschichten über den Bunker erzählt. Alles eben um uns Angst zu machen.  Die Wittentäler Schule war damals eine sogenannte „Zweiklassenschule“(von uns später scherzhaft Hirtenbuben-Gymnasium genannt). Für die 5. bis 8. Klasse war vormittags und für der 1. bis 4. Klasse, nachmittags Unterricht. Ein Nachrichtenaustausch mit den Älteren auf dem Schulweg konnte somit nicht stattfinden. Wir hatten also genug Chancen um eigene Erfahrungen zu sammeln.

Der Schutzbunker befand sich nördlich vom Baldenweger Hof der damals der allgemeinen Stiftungsverwaltung Freiburg i.Br., (Heiliggeistspitalstiftung), gehörenden Wald . Zunächst untersuchten wir das gesamte Bunkergelände und widmeten uns den schon uns bekannten Loren, die wir auf ihre Fahrtauglichkeit hin überprüften. Wir hoben sie mit vereinten Kräften mit Holzstangen auf die Schienengleise, was uns einige Mühe machte. Die Kipploren mussten natürlich von Hand geschoben werden. Körperliches Training war nun gefragt und auch Wettkampf der Stärksten. Jeder wollte natürlich in der Lore sitzen um einmal „Bunker- Lok“ fahren zu können. Unser Vergnügen war aus heutiger Sicht wohl nicht ungefährlich, weil diese Fahrzeuge immer wieder aus der Schiene sprangen oder umzukippen drohten. Die Mädchen waren hier nicht beteiligt. Es dauerte jedoch nicht lange und dieser Spaß wurde uns von der Verwaltung des Baldenweger Hofs verboten. Im Herbst 1946 wurden dann die Loren und Schienen abgebaut und in Verwahrung genommen.

Wir bedauerten alle sehr, dass unser „Spielplatz“ mit Geräten nicht mehr existiert. Als Ersatz hatten wir jetzt nun den Bunker. Taschenlampen besaßen wir keine um einmal hineinzuschauen was da drinnen verborgen war. Der Bunkereingang war jedoch bereits zur Hälfte (wahrscheinlich war er gesprengt worden) verschüttet. Am liebsten hätten wir den ganzen Eingang freigelegt, doch die Angst war zu groß, dass der Bunker einstürzen könnte. Darin wilde Tiere, wie Dachse die es damals noch in diesem Wald gab oder anderes Getier, plötzlich auftauchen könnten. Aus dem Bunker heraus kamen aber lediglich ein paar harmlose, verstörte Fledermäuse.

Der Schutzbunker hatte einen linken und rechten Eingang in nördlicher Richtung. Es wurden vom linken Eingang aus etwa ca. 12 m und vom rechten Eingang ca. 30 m ausgeschachtet. Eine Verbindung beider Bunkerteile war geplant wurde aber nicht mehr fertiggestellt. Die Abstützung und Sicherung des Stollens erfolgte durch ineinander verzahnte Bohlen im Decken-und Seitenbereich (Thoma, Robert, Attental).               
 
Unterhalb des südlichen und nördlichen Eingangs in der ganzen Breite war eine Terrasse mit Erdmaterial , was aus dem Bunker gewonnen wurde, angelegt. Diese Anschüttung ist heute noch zu sehen.     

                                        





Reste des rechten Bunkereingangs (siehe Pfeil).
Aufnahme: Oskar Steinhart, Januar 2004
Luftbildaufnahme 1984, Büttner; Umkirch
          

Die Gleisanlagen führten von der Terrasse, auf der ein Drehkranz zum Drehen der Kipploren angebracht war, bis hinunter über den Wittentäler Weg hinaus zum Kiesacker (Lgb.Nr. 62) und dem in westlicher Richtung verlaufendem Wittentäler Bach. Auf diesem Grundstück wurde das Material aus den beiden einfachen Kipploren abgekippt und aufgefüllt. Aus den Akten der Heiliggeistspitalverwaltung in Freiburg , die damals ja Eigentümerin dieser Grundstücke war, geht hervor, dass zwei Firmen folgende Materialien geliefert haben:
In der Zeit vom 17.02.-14.03.1945 lieferte die Fa. Zumkeller in Kirchzarten insgesamt 22,800 cbm Schnittholz (Stollenbretter). Ihre Bezahlung sollte durch die Lieferung von Rundholz in dem Maßstab 1:1,4 (rund 32 fm Rundholz), „wie ausgemacht wurde“, erfolgen (Akte Heiliggeistspitalstiftung, ohne Signatur von 1945). Das Ersatz Rundholz (32 fm) wurde von der Spitalverwaltung, nach mehrmaligen Mahnungen der Fa. Zumkeller, aus dem Welchental - Wald (Ebneter Gemarkung) vermutlich erst im Herbst 1946 geliefert. Somit war die vertragliche Verpflichtung endlich erfüllt.

Die Firma Fidel Egenter, Bauunternehmung in Freiburg, lieferte in der Zeit vom 28.02.- 10.04.1945 leihweise folgende Geräte für den Bunkerbau:
1.   Gleise 600 mm Spurweite zusammen 100 lfdm.
2.   2 Drehscheiben
3.   2 Loren 0.750 cbm Inhalt
4.   2 Rundkipper 0.500 cbm Inhalt

Nach Gebrauch sollten die Geräte in einem gereinigten Zustand zurückgegeben werden. Mehrere Mahnungen der Fa. Egenter um Rückgabe dieser Gegenstände blieben zunächst erfolglos.

Schließlich suchte der neue Verwalter des Stiftungsgutes , Herr Franz Späth und der dort beschäftigte Traktorfahrer, Herr Max Thoma (Attental), die verbliebenen Rollbahngeräte auf Veranlassung der Stiftungsverwaltung Freiburg zusammen. Somit konnten diese, mit Ausnahme einer Drehkugel , endlich im Februar 1947 wieder der Firma Egenter zurückgegeben werden (Akte Heiliggeistspitalstiftung, ohne Signatur von 1945).

Der ehemalige Verwalter des Stiftungsgutes Baldenweger Hofes (1933-1945), Julius Röhler, schreibt am 15. Oktober 1946 an die Allgemeine Stiftungsverwaltung in Freiburg, aufgrund von Aufforderungen seitens der Firma Egenter an ihn wegen der Rückgabe von geliehenen Geräten, folgendes:

„Zu Beginn des Jahres 1945 war es zur Sicherheit des Baldenwegerhofs – Personals und der dort untergebrachten ausgebombten und Flüchtlinge dringende Notwendigkeit geworden, einen Bunker zu Bauen. Dies geschah nach Rücksprache und im Einverständnis des Stiftungsdirektors, dessen Familie sich ebenfalls unter den Vorgenannten befand. Ich habe heute festgestellt, dass vor allem die Rollwagen von der dortigen Jugend in der weiteren Umgebung der Baustelle zu ihren Zwecken benützt wird. Über die Fundstellen der Rollwagen kann er von seinen eigenen jungen Leuten auf dem Hofe und vor allem den beiden jüngsten Söhnen des dortigen Falkenwirtes Auskunft erhalten“ (den „jüngsten“ Sohn, Erich Sumser habe ich im März 2004 telef. befragt).

Mit dem Bau des Bunkerstollens wurde bereits vor 1945 begonnen. Es wurden nur militärische Arbeitskräfte zum Bunkerbau verwendet. Welcher Waffengattung oder Einheit diese angehörten ist mir nicht bekannt  . Ich nehme an, dass auch polnische und ukrainische Kriegsgefangene, die in der Landwirtschaft als Hilfskräfte eingesetzt wurden, dort gearbeitet hatten. Im Gemeindearchiv Wittental sind keine Unterlagen oder Akten über diese Vorgänge vorhanden. Bei der Gemeinde Wittental wurde wahrscheinlich nie angefragt oder eine eigentliche erforderliche Genehmigung zum Bau eines Schutzbunkers eingeholt.

In den folgenden Jahren wurde der rechte nördliche Eingang des Schutzbunkers von den Einwohnern in Wittental nur noch als Mülldeponie benutzt. Der linke Eingang wurde mit Erde verschlossen, sodass er nur für ein geübtes Auge zu erkennen ist. Unterhalb vom rechten Eingang wurde von einem Imker ein Bienenstand eingerichtet, der heute nicht mehr vorhanden ist.

Für die sehr entgegenkommende Unterstützung bei der Einsichtnahme in Akten der Heiliggeistspitalverwaltung in Freiburg i.Br., bin ich Herrn Stiftungsdirektor Böhler und Frau Süßlin sowie Frau Jäger, sehr dankbar.