Als im April 1945 der sogenannte „Ernst
des Lebens „ beginnen sollte, war ich gerade sechs Jahre alt. Meine
Einschulung bestand bevor und der Schulweg führte mich und meine
Schulkameraden an einer interessanten Stelle vorbei. Was es mit ihr auf sich hatte und für welchen Zweck sie
eingerichtet wurde, erfuhren wir erst nach und nach. Es hat sich unter uns angehenden Schülern
herumgesprochen, dass dort ein Bunker sei. Der erste Kontakt mit dem
„Stollen“, ergab sich mit der Einschulung in die Wittentäler Schule.
Bereits im November/Dezember 1944 sind wir als zukünftige Erstklässler,
zur Schule auf den Turnplatz in Wittental zitiert worden, um den in der
damaligen Zeit üblichen „Deutschen Gruß“ zu lernen. Auf dem Hin- und
Rückweg (ohne Begleitung von Erwachsenen) sahen wir zwei Loren auf
Schienen und zwei Bunkereingänge, die wir bisher nicht kannten. Eine
Baracke war dort aufgestellt- vermutlich zur Unterbringung von
Arbeitsgeräten- oder sonstigem Material (Robert Thoma Attental,
aufgrund mündl. Befragung). Zunächst fiel die für uns im April 1945
geplante Einschulung aus. Das Lehrer- Ehepaar Theodor Aigeltinger hatte
sich in seiner Wohnung selbst, aus politischen Gründen erschossen und
ein neuer Lehrer stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Der erste
Schulunterricht begann dann nach dem verlorenen Krieg und zwar im
Oktober 1945. Somit hatten wir vom Frühjahr bis Herbst 1945 unsere
ersten (nicht geplanten) Schulferien.
Von Oktober 1945 an gingen wir auf dem Schulweg zur Schule regelmäßig
direkt am Bunker vorbei. Dort war in westlicher Richtung eine Schiene am Boden
verlegt und oben am Stolleneingang standen zwei Loren. Unsere Neugier
war natürlich groß um diese uns imponierenden, eigenartigen Geräte
nicht genauer zu untersuchen. Schließlich hatten uns die älteren
Schüler allerlei verschiedene Geschichten über den Bunker erzählt.
Alles eben um uns Angst zu machen. Die Wittentäler Schule war damals eine
sogenannte „Zweiklassenschule“(von uns später scherzhaft
Hirtenbuben-Gymnasium genannt). Für die 5. bis 8. Klasse war vormittags
und für der 1. bis 4. Klasse, nachmittags Unterricht. Ein
Nachrichtenaustausch mit den
Älteren auf dem Schulweg konnte somit nicht stattfinden. Wir hatten
also genug Chancen um eigene Erfahrungen zu sammeln.
Der Schutzbunker befand sich nördlich
vom Baldenweger Hof der damals der allgemeinen Stiftungsverwaltung
Freiburg i.Br., (Heiliggeistspitalstiftung), gehörenden Wald . Zunächst
untersuchten wir das gesamte Bunkergelände und widmeten uns den schon
uns bekannten Loren, die wir auf ihre Fahrtauglichkeit hin überprüften.
Wir hoben sie mit vereinten Kräften mit Holzstangen auf die
Schienengleise, was uns einige Mühe machte. Die Kipploren mussten
natürlich von Hand geschoben werden. Körperliches Training war nun
gefragt und auch Wettkampf der Stärksten. Jeder wollte natürlich in der
Lore sitzen um einmal „Bunker- Lok“ fahren zu können. Unser Vergnügen
war aus heutiger Sicht wohl nicht ungefährlich, weil diese Fahrzeuge immer wieder aus der Schiene sprangen
oder umzukippen drohten. Die Mädchen waren hier nicht beteiligt. Es
dauerte jedoch nicht lange und dieser Spaß wurde uns von der Verwaltung
des Baldenweger Hofs verboten. Im Herbst 1946 wurden dann die Loren und
Schienen abgebaut und in Verwahrung genommen.
Wir bedauerten alle sehr, dass unser
„Spielplatz“ mit Geräten nicht mehr existiert. Als Ersatz hatten wir
jetzt nun den Bunker. Taschenlampen besaßen wir keine um einmal
hineinzuschauen was da drinnen verborgen war. Der Bunkereingang war
jedoch bereits zur Hälfte (wahrscheinlich war er gesprengt worden)
verschüttet. Am liebsten hätten wir den ganzen Eingang freigelegt, doch
die Angst war zu groß, dass der Bunker einstürzen könnte. Darin wilde
Tiere, wie Dachse die es damals noch in diesem Wald gab oder anderes
Getier, plötzlich auftauchen könnten. Aus dem Bunker heraus kamen aber
lediglich ein paar harmlose, verstörte Fledermäuse.
Der Schutzbunker hatte einen linken
und rechten Eingang in nördlicher Richtung. Es wurden vom linken Eingang aus etwa ca.
12 m und vom rechten Eingang ca. 30 m ausgeschachtet. Eine Verbindung beider Bunkerteile war
geplant wurde aber nicht mehr fertiggestellt. Die Abstützung und
Sicherung des Stollens erfolgte durch ineinander verzahnte Bohlen im
Decken-und Seitenbereich (Thoma, Robert,
Attental).
Unterhalb des südlichen und
nördlichen Eingangs in der ganzen Breite war eine Terrasse mit
Erdmaterial , was aus dem Bunker gewonnen wurde, angelegt. Diese
Anschüttung ist heute noch zu sehen.
Reste des rechten Bunkereingangs (siehe
Pfeil).
Aufnahme: Oskar Steinhart, Januar 2004
Luftbildaufnahme 1984, Büttner; Umkirch
Die Gleisanlagen führten von der Terrasse,
auf der ein Drehkranz zum Drehen der Kipploren angebracht war, bis
hinunter über den Wittentäler Weg hinaus zum Kiesacker (Lgb.Nr. 62) und
dem in westlicher Richtung verlaufendem Wittentäler Bach. Auf diesem
Grundstück wurde das Material aus den beiden einfachen Kipploren
abgekippt und aufgefüllt. Aus den Akten der Heiliggeistspitalverwaltung
in Freiburg , die damals ja Eigentümerin dieser Grundstücke war, geht
hervor, dass zwei Firmen
folgende Materialien geliefert haben: In der Zeit vom 17.02.-14.03.1945
lieferte die Fa. Zumkeller in Kirchzarten insgesamt 22,800 cbm
Schnittholz (Stollenbretter). Ihre
Bezahlung sollte durch die Lieferung von Rundholz in dem Maßstab 1:1,4
(rund 32 fm Rundholz), „wie ausgemacht wurde“, erfolgen (Akte
Heiliggeistspitalstiftung, ohne Signatur von 1945). Das Ersatz Rundholz
(32 fm) wurde von der Spitalverwaltung, nach mehrmaligen Mahnungen der
Fa. Zumkeller, aus dem Welchental - Wald (Ebneter Gemarkung) vermutlich
erst im Herbst 1946 geliefert. Somit war die vertragliche Verpflichtung
endlich erfüllt.
Die Firma Fidel Egenter,
Bauunternehmung in Freiburg, lieferte in der Zeit vom 28.02.- 10.04.1945 leihweise folgende Geräte für den
Bunkerbau: 1. Gleise 600 mm
Spurweite zusammen 100 lfdm. 2. 2 Drehscheiben 3. 2 Loren 0.750 cbm
Inhalt 4. 2 Rundkipper 0.500 cbm
Inhalt
Nach Gebrauch sollten die Geräte in
einem gereinigten Zustand zurückgegeben werden. Mehrere Mahnungen der Fa. Egenter um
Rückgabe dieser Gegenstände blieben zunächst erfolglos.
Schließlich suchte der neue Verwalter
des Stiftungsgutes , Herr Franz Späth und der dort beschäftigte
Traktorfahrer, Herr Max Thoma (Attental), die verbliebenen
Rollbahngeräte auf Veranlassung der Stiftungsverwaltung Freiburg
zusammen. Somit konnten diese, mit Ausnahme einer Drehkugel , endlich
im Februar 1947 wieder der Firma Egenter zurückgegeben werden (Akte
Heiliggeistspitalstiftung, ohne Signatur von 1945).
Der ehemalige Verwalter des
Stiftungsgutes Baldenweger Hofes (1933-1945), Julius Röhler, schreibt
am 15. Oktober 1946 an die Allgemeine Stiftungsverwaltung in Freiburg,
aufgrund von Aufforderungen seitens der Firma Egenter an ihn wegen der
Rückgabe von geliehenen Geräten, folgendes:
„Zu Beginn des
Jahres 1945 war es zur Sicherheit des Baldenwegerhofs – Personals und
der dort untergebrachten ausgebombten und Flüchtlinge dringende
Notwendigkeit geworden, einen Bunker zu Bauen. Dies geschah nach
Rücksprache und im Einverständnis des Stiftungsdirektors, dessen
Familie sich ebenfalls unter den Vorgenannten befand. Ich habe
heute festgestellt, dass vor allem die Rollwagen von der dortigen
Jugend in der weiteren Umgebung der Baustelle zu ihren Zwecken benützt
wird. Über die Fundstellen der Rollwagen kann er von seinen eigenen
jungen Leuten auf dem Hofe und vor allem den beiden jüngsten Söhnen des
dortigen Falkenwirtes Auskunft erhalten“ (den „jüngsten“ Sohn,
Erich Sumser habe ich im März 2004 telef. befragt).
Mit dem Bau des Bunkerstollens wurde
bereits vor 1945 begonnen. Es wurden nur militärische Arbeitskräfte zum
Bunkerbau verwendet. Welcher Waffengattung oder Einheit diese
angehörten ist mir nicht bekannt . Ich nehme an, dass auch
polnische und ukrainische
Kriegsgefangene, die in der Landwirtschaft als Hilfskräfte eingesetzt
wurden, dort gearbeitet hatten. Im Gemeindearchiv Wittental sind keine
Unterlagen oder Akten über diese Vorgänge vorhanden. Bei der Gemeinde Wittental wurde wahrscheinlich nie
angefragt oder eine eigentliche erforderliche Genehmigung zum Bau eines
Schutzbunkers eingeholt.
In den folgenden Jahren wurde der
rechte nördliche Eingang des Schutzbunkers von den Einwohnern in
Wittental nur noch als
Mülldeponie benutzt. Der linke Eingang wurde mit Erde verschlossen,
sodass er nur für ein geübtes Auge zu erkennen ist. Unterhalb vom rechten Eingang wurde von
einem Imker ein Bienenstand eingerichtet, der heute nicht mehr vorhanden
ist.
Für die sehr entgegenkommende
Unterstützung bei der Einsichtnahme in Akten der
Heiliggeistspitalverwaltung in Freiburg
i.Br., bin ich Herrn Stiftungsdirektor Böhler und Frau Süßlin sowie
Frau Jäger, sehr dankbar.