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Badenia
oder
das badische Land und Volk.

Eine Zeitschrift zur Verbreitung der historisch-topographisch-statistischen Kenntniß
des Großherzogthums.

Herausgegeben
von
Dr. Josef Bader,
Großherzogl. Archivrath
Zweiter Band.
Heidelberg
Druck und Verlag von Adolph Emmerling
1862




Das Treisamthal.

Ich hatte einen wanderlustigen Gefährten, dessen heitere Lebensanschaunng meiner trüb gefärbten immer reichlichen Stoff des Widerspruches gab. Schon oberhalb Ebnet begann der freundschaftliche Hader, indem er den Segen der herrlichen Landschaft den Fortschritten der Neuzeit zuschrieb, während ich aus der Geschichte darzulegen suchte, daß der sittliche und wirtschaftliche Wohlstand des Thales in den besten Zeiten früherer Jahrhunderte kein geringerer gewesen. (Schwarzwald-Wanderungm selbst im höchsten Sommer, erfordern einen guten wolllentuchenen Rock wegen der kühlen Morgen und Abende, und den scharfen Winden aus den Höhen, wo man gewöhnlich schwitzend ankommt; sodann starke Stiefel oder Schuhe, weil der grobkörnige Granitsand das Leder besonders scharf angreift.)

Unter solchem Zwiegespräche zogen wir munter auf der freigelegenen Straße mitten durch das breite herrliche Thal hin. Es umgibt den Wanderer da ein weiter Kranz von Waldbergen, an deren Saume freundliche Dörfer und Höfe ruhen. Und schaut er einmal zurück, so öffnet sich die Thalgegend auf’s lieblichste und läßt sein Auge hinausschweifen in die bläuliche Ferne des Rheines und der Vogesen.

Zahlreiche Bergwasser beleben das Thal, welche sich zwischen Zarten und Ebnet mit der Treisam vereinigen. Die Benennung dieses kleinen Flusses leitet ein Wortspiel davon ab, daß drei Bäche zusammenfließem um denselben zu bilden. Es sollen der Ibach, der Wagensteiger und der Höllenbach sein, welch’ letzterer den andern beiden vorgeschlagen habe, sie wollten ihre Besondernamen aufgeben und einen gemeinschaftlichen annehmen (
Nach einem artigen Gedichte inbreisgauischer Mundart, bei Schnetzler, Bab. Sagenbuch l, 399.
»Seig’s e—so", hän si d’ruf g’sait, un usse vor Zarte. Hät me si tänft. Jez haiße si ,,Dri z’sämme", Dreisam uf hochditsch.)

Abgesehen aber von diesem Scherze, herrscht gewöhnlich noch immer die Meinung, daß der Namen Treisam erst bei Zarten beginne, während doch von altersher das Wasser des Wagensteiger Thales denselben führte bis hinauf zu seinem Ursprung am westlichen Abhange des Hirschberges, bei der alten Schanze des hohlen Graben. Dort hatte man unter den Zäringern schon die Quelle des Erlenbaches bei Bernhaupten als ,,Treisamspring" bezeichnet. (Eine Urkunde vom Jahre 864, bei Neugart, cod. Alem. l, 345, nennt schon Güter in Muntinchova marca circa fluvium Treisima, und eine andere von 1112 im Rotalus sanpetrin. bei Leichtlin, die Zäring. S. 65, sagt in der Beschreibung des sanktpeterischen Stiftungsgutes: lnde usque Steinibach, erga iugum montis Hirzberc et Treisimespringe, et inde ad Wisenegga. Hiezu macht P. Baumeister (annal. S. Petri l, 49) die Anmerkung: ,,0rigo fluvii Treisamae, quam ipsemet vidi. Ist
ein kleine Lachen unter der Hohlengraben-Schanz, ad jugum montis Hirzberg, qui hodie Bernhaupten vocatur. Aus dieser Lachen kommt das Wasser schier ohnvermerkt, worzu aber weiter unten hin und wieder ein Bächlein fließet".)

Es vereinigen sich aber mit dem unansehlichen Bächlein bald mehrere Bergwasser, namentlich die Spirznach, und nachdem es den Buchenbach verlassen, rechterseits der Ibach und Eschbach, wie links die Rotach, Osterach und Bruckach.

So verstärkt eilt die Treisam an Freiburg vorüber dem Kaiserstule zu, und ergießt sich bei Riegel in die Elzach
(jetzt gewöhnlich die Elz; die ursprüngliche Schreibung ist aber noch im Namen der Stadt Elzach erhalten), um mit derselben bei Niederhausen vom Rheine aufgenommen zu werden. Dieser ganze Flußlauf aber beträgt ungefähr sechs deutsche Meilen.

Das Wassergebiet der Treisam ist hinterhalb Freiburg von einem weiten Gebirgsgürtel umschlossen, welcher zum Theil aus den höchsten Scheiteln des obern Schwarzwaldes besteht. Dasselbe enthält daher eine Reihe der merkwürdigsten Erscheinungen schwarzwäldischer Bergnatur.

Dieser Gebirgsgürtel hebt an mit dem Schloßberge bei Freiburg und zieht sich zunächst nordöstlich über den Roßkopf (2463´ ), den Flanser, den Brombeerkopf (2907´), die lange Ecke und die Höhe hinter S. Peter bis an den Hochwald (3420´); von da alsdann in einem langen Bogen südwärts über den Kapfenberg (3431´), die Höhe von S. Märgen, den Doldenbühl (3587´), die Farrenhalde, die Weißthannenhöhe (3974´), und über das Moos an der Straße nach dem Tittisee (2960´) bis zum Scheibenfelsen; sofort streng westlich über den Kapf von Hinterzarten (4036´) und mit der Albersbacher Höhe (4241´) auf den Feldberg (4982´); von hier endlich nordwestwärts über den Stubenwasen und Hirschkopf, die Farrenwiede (4224´) und Halde, über den Erzkasten (4288´) und Schauinsland nach dem Kipfelsen (2759´) und Bromberge, mit welchem der Gebirgszug dem Schloßberge gegenüber sich endet.

Das ganze Wassergebiet hat also eine Länge von 5 und eine Breite von 4 Stunden. Es gehört einestheils zum ödesten und wildesten Schwarzwalde, anderntheils aber zu den schönsten und gesegnetsten Gegenden des Landes. Etwas Eigentümliches besitzt dasselbe darin, daß sich die Nebenthäler fächerartig in das Hauptthal ausmünden, wodurch dieses die Gestalt eines großen Amphitheaters gewinnt, dessen Proscenium die Thalebene von Zarten bildet.

Von der Landstraße aus, welche mitten durch´s Thal hinausgeht, erblickt man am Saume des weiten Gebirgskranzes die Eingänge der verschiedenen Nebenthäler, welche bald einen heiterm, bald einen düstern Schoß verrathen.

Dort, halbverborgen in der waldgrünen Thalwand, ruhen die kleinen Bergbusen von S. Ottilien, des Atten-, Welchen- und Wittenthales mit den Zaubern ihrer idyllischen Einsamkeit. Hierauf öffnet sich das mattenreiche Thal des Eschbaches mit der Straße nach S. Peter, und getrennt davon durch den heiteren Lindenberg das wohlbewohnth getraidereiche Ibenthal (vallis lwa ).

Weiterhin zeigt sich der Wisenecker Hügel mit seinen Burgtrümmern und daneben der Eingang in’s Thal der hinteren Treisam, durch welches die Wagensteige in einer weiten Krümmung nach S. Märgen führt. Darüber hinweg schauen der Spitzenkopf und die Hochwarte mit ihren breiten, nakten Scheiteln.

Alsdann, links an der Sonnecke, verräth sich die Schlucht des wildromantischen Höllenthals, aus welcher die Rotach schäumend hervorstürzt; und tiefer zurück, am Fuße der waldigen Rappenecke erblickt man das Thal von Oberried, dessen Hintergrund sich in den düstern Zastler und das malerische S. Wilhelmsthal verliert.

Endlich, am Abhange der Mittelecke, des Prangenkopfs und Kipselsen
( Man schreibt sonst Kibfels. Ich leite dieses Wort aber von Kip (verwandt mit caput?), scharf, spitzig sein, woher auch Kuppe, Kapfe oder Gupfe und Gipfel kommen) erscheinen die zahmen Thälchen von Groß- und Kleinkappel und der liebliche Bergbusen von Litenweiler,  gerade jenem von S. Ottilien gegenüber.

Die Bewohner des Treisamthales bildeten ehedem eine große Genossenschaft; sie haben eine eigene Geschichte und es prägte sich ein eigentümlicher Character in ihnen aus, dessen Spuren durch die nivellierende Neuzeit noch nicht verwischt sind.

Es wechseln im Thale etliche großen Dörfer mit mehreren Weilern und vielen einzelnen Höfen, welche noch ziemlich ein Bild von dem alten stattlichen Bauernstande geben. Die Gemarkungen derselben sind eben so reich an Wiesen als an Ackerland, daher die Thalbauern auch eine besonders gedeihliche Viehzucht treiben.

Durch ächt germanische Bevölkerung wandert man hier. Hochgewachsene, blonde Gestalten begegnen einem sehr häufig und erinnern öfters so lebhaft an das fränkische Gepräge, daß man versucht werden könnte, wirklich hier die Nachkömmlinge der alten Harelungen  zu suchen. (
Nach der Sage soll dieser Stamm längs dem Rheine herauf in den Breisgau gekommen sein. Daher datierten im 16ten Jahrhundert die Freiburger Professoren ihre Briefe (statt Friburgi Brisigavorum) auch Friburgi Harelungorum).

Die altherkömmliche Tracht des Thalvolkes hat große Aehnlichkeit mit jener im Hanauerländchen, wenigstens die männliche. Schwarze Lederhosen, weiße Strümpfe, kurze rothe Westen, kurze weiße Jacken, schwarze Filzhüte oder- grüne mit Pelz verbrämte Sammetkappem und weite mit Oerlinger ausgeschlagene Röcke herrschen unter dem Mannsvolke beider Gegenden vor, nur findet man im Treisamthale die bunteren Farben, welche die katholischen Bevölkerungen überall im Lande von den evangelischen schon äußerlich unterscheiden.

Neben dieser altherkömmlichen Männertracht erscheint aber im Treisamthal noch eine andere von neuerem Geschmack, welche dieselbe allmählig verdrängen wird, weil sie wohlfeiler und bequemer ist. Sie besteht einfach in weiten Langhosen und einem langen Rocke von blauem Wollentuch mit aufstehendem Kragen und über Rücken und Schultern hängendem Mantelstücke.

Der Taglöhner in diesem nüchternen, und der Thalbauer in jenem malerischen Aufzuge — sie stehen sich gegenüber,
wie Leute aus zwei völlig verschiedenen Gegenden Deutschlands. Wie gesagt aber, nach zwei, drei Menschenaltern wird aller Unterschied verschwunden sein.

Unterscheidend an der weiblichen Tracht im Treisamthale sind die lange, gefältelte grüne Jüppe und der besonders breitkrempige, kreidenweiß getünchte Strohhut mit schwarzer Bandbelege um die niedere Gupfe und am Rücktheile. Denn in der Nachbarschaft, auf dem Schwarzwalde und im Elzachthale erscheint die Hutgupfe hoch und die Krempe schmal, beides zuweilen, wie namentlich im Simonswalde, bis zur abgeschmaktesten Uebertreibung gesteigert.

Characteristisch dürfte es auch erscheinen, daß das Treisamthaler ,,Weibervolk" eben nur Hüte und daneben gar keine Hauben trägt. Die Wälderinen sind mit beidem versehen; im breisgauischen Rheinthale aber findet man bei Frauen und Mädchen wieder nur Hauben und keine Hüte.

Während einer lebhaften Unterhaltung über diese Dinge gelangten wir nach Zarten und in’s Bereich des alten Tarodunum, wovon der Erdwall noch deutlich erkannt wird. Diese Oertlichkett bildet ein großes, länglichtes, gegen seine nächste Umgebung im Norden und Süden etwas erhöht gelegenes Dreieck von beiläufig 6700 Schritten im Umfange, zwischen der Treisam und Rotach. Dasselbe stößt also mit seiner westlichen Spize an die Vereinigung beider Bäche, und gegen Osten ist es durch den Heidengraben von der weiteren Hochebene getrennt.

Da am linken Raine der Hof ,,Brand« ligt und gegenüber am rechten der Weiler ,,Burg«, so entstund im Volksmunde die Sage von einer untergegangenen Stadt Brandenburg. Von dem tarodunischen Trümmerfelde aber mögen nachmals die besten Steine nach Freiburg geführt worden sein, als man dort eine neue Stadt gegründet.

Dies Tarodunum
(Ptolomaei geograph. ed. Nobbe 123.) war ein großes oppidum oder Wehr- und Schirmwerk, und umschloß wohl die bedeutendste keltisch-römische Niederlassung an der Heerstraße zwischen den Pläzen  mons Brisiacus (Breisach) und arae Flaviae (Rotweil). Den Namen desselben erklärt man aus dem Keltischen als »Ochsenberg", und allerdings stund der fremde Eroberer hier wie der Ochs am Berge. Denn überall gieng’s durch düstere Schluchten steil aufwärts in waldige, ungeheuerliche Bergwildnisse, deren Ausdehnung Niemanden bekannt war.

In diesen Wildnissen konnte der Feind unbemerkt sich sammeln, um plötzlich, wie ein angeschwollener Bergstrom, hervorzubrechen gegen die Thalstadt, welche einer solchen Ueberraschung wohl erliegen mußte. Es war daher geboten, die Eingänge der verschiedenen Nebenthäler, welche in einem engen Bogen die Veste umgaben, mit befestigten Wachtposten zu versehen.

So zählte Tarodunum um sich her wenigstens ein halb Dutzend von Thürmen und Kastellen, welche später als Ritterburgen abermals ihre Rolle gespielt haben, und noch heutzutage in ihren Trümmern vorhanden sind.

Am Eingange des Witten- und Eschbachthales ligen die Ueberreste der Thürme auf dem Falkenbühl und zu Weiler;  zwischen den Ausgängen des Iben- und Treisamthales erheben sich die Mauern des Burgstalles von Wiseneck, im Höllenthale jene von Falkenstein, und am Eingange des Zastler- und Wilhelmerthales ruhen die Trümmer der Vesten von Oberried und Wildschneeburg.

Man ersieht auch aus diesem Beispiele wieder, wie systematisch und praktisch die Römer in der strategischen und commerziellen Einrichtung ihres rheinischen Vorlandes zu Werke gegangen. Wo jedoch Knechtschaft und Entsittlichung die Völker verderben, da bringen all’ solche Schuzmittel keine Rettung mehr. Daher wurden die völlig romanisierten und riesig verwahrten Decumaten so leicht die Beute der deutschen Eroberer.

Die römische Kulturperiode war abgelaufen, es sollte die germanische folgen. Aber alle Kultur ist eine Ueberlieferung, und jegliche neue gründet sich in ihren Anfängen auf die Reste einer älteren.

So wurde das keltisch-römische Tarodunum mit seiner Bodenkultur, seinen Vorwachten, Straßen und Wegen für unser Treisamthal die Grundlage seines spätern Anbaues und hinterließ ihm auch seinen Namen. Denn seit den frühesten Zeiten hieß die Gegend von Stegen bis gen Oberried und vom Buchenbach bis Ebnet das Zartener oder das Kirchzartener Thal, und noch heutzutage heißt sie im Volksmunde so.

Zarten aber hat sich aus Tarodunum gebildet, indem die deutsche Zunge hinter dem T ein s hören ließ, was man alsdann mit einem Z bezeichnete. Auf dieselbe Weise sind aus Tabernae, Tolbiacum und Turicum die Namen Zabern, Zülpich und Zürich entstanden.

Zarduna oder Zarda nämlich hieß in den merovingisehen und karolingischen Zeiten die zersträute Gemeinde (villa), welche sich nach der Völkerwanderung bei den Trümmern von Tarodunum angesidelt. Hochstämmiges, blondes Alemannenvolk hatte diese schönen und gesegneten Thalgefilde in Besiz genommen und die alten gallisch-römischen Bewohner in die Berge zurückgedrängt. Noch gegenwärtig unterscheiden sich die Wiesenecker und Kirchzartener durch ihr alemannisches Gepräge von den dunkelfarbigen Leuten im Ibenthale, in der Wagensteige, im Höllen- und Zastlerthale.

Die Zartener Gemarkung umfaßte das ganze weite Thalgebiet und in der villa Zarduna lag auch die Pfarr- und Mutterkirche für alle Kapellen, Weiler und Höfe desselben. Begreiflicher Weise aber ließen sich zunächst bei dieser Kirche immer mehr Leute nieder, wodurch das Dorf Kirchzarten entstund, nach welchem der südlichere Theil des Treisamthales, den die Krum- oder Bruckach bewässert, benannt wurde.

So bildete sich Zarten schon im 8ten Jahrhunderte zu einem bedeutenden Doppelorte heran, wo der Graf des Breisgaues zuweilen sein Gaugericht abhielt. Der größte Theil des Grundes und Bodens aber mit der Kirche und den Pfarreirechten gehörte damals dem Stifte S. Gallen, durch Schenkungen und Tauschhandlungen der alten freien Grundbesizer. (Nach Urkunden bei Neugart, cod.. Alem. l, num. 44, 187, 330, schenkten 765 Trutprecht seinen Knecht Waldkoz in villa Zarduna und
seine Güter in ipsa marcha zardunense, 816 Gozbart partem ecclesiae in Zartuna cum pertinentiis, und 848 Tuto sein väterlich Erbtheil prope villam Zartunam, an das Stift S. Gallen. Nach der Urkunde num. 114 geschah 791 eine Schenkung von Gütern zu Ebringen an ebendasselbe publice (d. h. vor dem Gaugerichte) in loco Zarduna, und nach der num. 762 bestätigte K. Otto ll dem Kloster Einsideln sein großes Riegler Hofgut, wozu auch Güter in Zarda gehörten.)

Denn nachdem der heilige Gallus im Gefolge des irischen Glaubensboten Kolumban nach Alemannien gekommen und am Bodensee das Gotteshaus seines Namens gegründet, gelang es dieser frommen Anstalt durch den trefflichen Geist ihrer Regel, ihrer Schule und Hauswirthschaft, auf weithin ein vorherrschendes Ansehen zu erlangen. Fromme Alemannen beschenkten das aufblühende Stift immer reichlicher, und als die Zeiten eintraten, wo der gemeine Freimann, wegen den Lasten des freien Standes und den Zumuthungen der Gaugrafem seine Güter den Klöstern und Domstiften übergab, um sie als gotteshäusische Erblehen zurück zu empfangen, da gewann auch S. Gallen in den alemannischen Landen bis herab über den Schwarzwald auf solche Weise zahlreiche Besizungen.

Neben dem Kloster S. Gallen walteten aber noch drei weltliche Herren im Treisamthale - die Zäringer als Grafen des Breisgaues und Besizer der südwestlichen Abhänge des Roßkopfes; sodann die Grafen von Hohenberg als Inhaber des Gebirgsstriches vom Kesselberge bis herab über den Kilpen und die Wagensteige, und die Freiherren von Kipburg als Eigentümer des unteren Thalgeländes, wo sich dasselbe in die große Rheinebene verliert.

Diese Kipburger hausten in ihrer Burg auf dem Kiyfelsen, welcher das kleine Güntersthal und den größeren Theil des Treisamthales beherrscht. Da ersuchte einstmals der Nachbar und Schwager zu Zäringen einen von ihnen um die Gunst, auf dem trefflich gelegenen Vorhügel des Roßkopfes ein Jagdhaus erbauen zu dürfen. Der gutmüthige Herr gewährte dies, sein Weib aber sagte erschrocken: "Ja, er wird sich festsetzen auf deinem Gut und dich verjagen davon."

Und also geschah es auch (
So erzählet Albert von Straßburg in seiner Chronik, bei Wursteisen, sctipt. rer. German. ll, 99.). Die Zäringer, nachdem sie Herzoge in Schwaben geworden und Rectoren von Burgund, stifteten (1093) am südlichen Abhange des Kandels das Gotteshaus S. Peter, und erbauten auf jenem Vorhügel die Veste und am Fuße desselben die Stadt Freiburg.

Und zu derselben Zeit, da der letzte zäringische Herzog als ein mächtiger, land- und geldreicher Fürst zu Grabe gieng (1218), verstarb der lezte Kipburger als ein armer Edelmann, nachdem er sein ganzes Familien-Erbe - das bescheidene Thälchen unter der Stammburg, einer Tochter zur Gründung des Klösterleins Güntersthal abgetreten (
Anno domini 1221 Adelheidis, filia nobilis domini Guntheri, ....  Hdschr J. L. Herrling, in seinem Verzeichnisse der Güntersth. Urkunden, bemerkt hiezu: »Es hat dieser Güntherus auf dem Kübfelsen, wo die rudera noch heutigen Tages zu sehen, gewohnet." Im Kappler Dingrotel lesen wir: »Die Burkbachsgassen uff an den Berg untz gen Kiburg.«).

Wie nun die Zäringer im Bereiche des Treisamthales das Benedictinerkloster S. Peter gestiftet, ebenso gründeten (1120) die Hohenberger, offenbar ihnen zum Trutze, in der nächsten Nachbarschaft die Augustinerabtei S. Märgen. Denn die einen waren welsisch, die andern waiblingisch gesinnt, und keine Spur läßt sich entdecken, daß zwischen beiden Häusern irgend ein freundnachbarliches Verhältnis bestanden.

Die beiden Gotteshäuser aber übten später einen wichtigen Einfluß auf die Geschicke des Zartener Thales, wo dieselben durch Schenkungen und Käufe viele Güter und Rechte erwarben. Sie hatten jedoch ein ganz verschiedenes - jenes ein glückliches, dieses ein höchst trauriges Schicksal.

Denn für S. Peter war’s ein großer Vortheil, daß seine Schirmvogtei bei der Familie des Stifters (den Markgrafen von Hachberg) verblieb, während S. Märgen die seinige in fremde Hände fallen und zu den gewissenslosesten Erpressungen und Gewaltthaten mißbraucht sehen mußte.

Es hatten aber die Zäringer und das Stift S. Gallen ihre Besizungen im Treisamthale größtentheils an die Herren von Falkenstein zu Lehen vergeben. Diese Dienstmänner des herzoglichen Hauses waren ein alter stattlicher Ritteradel und bewohnten im engen Höllenthale die einsame Felsenburg ihres Namens. Von da herab herrschten dieselben über das benachbarte Thal- und Berggelände, bis sie einem neueren Rittgeschlechte allmählig zur Beute wurden.

Nachdem die Zäringer den städtischen Marktort Freiburg gegründet, versahen sie denselben auch mit einer entsprechenden Garnison aus ihren zalreichen Dienstmannen. Hiedurch wuchsen neben den Kauf- und Gewerbsleuten eine Anzal von Soldaten-Familien heran, welche mit Verwilligung der Gemeinde nicht allein in der Stadt ihren Wohnsitz hatten, sondern daselbst auch alle bürgerlichen Rechte genossen (
Herzog Konrads freiburgische Verfassungs-Urkunde (bei Dümge, reg. Bad. S. 122)).

Begreiflicher Weise aber mußte es kommen, daß diese »Herzogsmannen« vermöge ihrer Schildbürtigkeit neben den angesehensten freien Bürgergeschlechtern den vorherrschenden Einfluß behaupteten und die wichtigsten städtischen Aemter führten. Die Zäringer wollten sich, bei den großen Freiheiten ihrer Städte, doch einen maßgebenden Einfluß auf deren Handhabung und Entwickelung sichern, und verschafften daher den städtischen Garnisons-Rittern eine möglichst vortheilhafte Stellung.

So entstund das freiburgische Patriziat, welches die städtische Leitung ausschließlich in Händen behielt, bis im Beginne des 14ten Jahrhunderts die Zünfte, als Vertreter des demokratischen Elements in der Bürgerschaft, nach heftigem Kampfe, sich neben dem aristokratischen zur Geltung brachten.

Wie sich aber die Zünfte neben den Patriziern geltend machten, so hatten es diese schon längst neben dem alten Adel gethan. Die Freiherren und Ritter vom ächten Schrot und Korne, welche auf ihren einsamen Burgen, stolzen Adlern gleich, ein unabhängiges Dasein führten, mußten’s erleben, daß diese städtischen ,,Dienstmänner" sie durch sparsame Wirthschaftlichkeit und kluge Berechnung finanziel überflügelten und ihre wachsenden Geldverlegenheiten, ihre steigenden Mißgeschicke erfolgreich zum eigenen Vortheil benüzten.

Denn es waren Zwitternaturen, welche mit dem Soldaten den Geschäfts- und Geldmann verbanden. Es waren Emporkömmlinge, deren erwerbsüchtiges, zudringliches Wesen um so eher zum Ziele kam, je stolzer und ritterlicher der alte Adel das Treiben der adeligen Krämer und Geldmäkler in den gehaßten Städten verachtete.

Ein solches Geschlecht nun waren die freiburgischen Ritter Schnewelin, welche zur Zeit, als Graf Egeno von Urach das breisgauische Land seines (1218) zu Grabe gegangenen herzoglichen Schwagers in Besiz nahm, schon unter den vornehmsten Geschlechtern und in den ersten Aemtern der jugendlich emporstrebenden Stadt auftraten. (
In einer Urkunde von 1219 erscheinen als Zeugen: Otto scultetus de Friburch, Cuonradus Snewili etc. Das Jahr darauf war dieser Schnewelin freiburgischer Schuldheiß, wie auch 1226, 1248 und 1255....)

Diese Schnewelin sind eine merkwürdige Erscheinung. Sie vermehrten sich ,,wie der Sand am Meere«, und wuchsen so schnell zu den Rothschilds des Breisgaues heran, daß man versucht wird, hinter ihnen eine gemeinschaftliche Abstammung mit den Geldfürsten unserer Zeit zu vermuthen. Ihr Familien-Namen wenigstens würde einer solchen Herkunft nicht widersprechen. (
Schnewelin ist ein Uebernamen, der entweder vom altd. snabel, snavel (rostrum) herkommt und Schnäbelein bedeutet, wie nach einer Urk. von 1418 der Schnabelin dictus de Ichenheim; oder von sneo, snew (nix), in welchem Falle derselbe mit Schneemännlein zu geben wäre. Uebrigens kommt er schon früh in verschiedenen Gegenden vor, so 1323 (cod. Salem. IV, 141) ein frater C. dictus Sneweli, Magister in Bachhoupten und 1350 ein Claus Snewelin ze Dankstetten im Kletgau (Archiv S. Blasien).

Ihren Lehens- und Kriegsherren, den Grafen von Freiburg, und andern Großen halfen die Schnewelin mit ihrem Gelde aus - gewiß nicht ohne schönen Gewinn (
Verschied. Urkunden in der oberrhein. Zeitschr. lX, 225. Schon 1292 hatte Dietericus Snewelin de Friburgo für 1000 Mark Silbers (damals eine sehr bedeutende Summe) wettingische Güter im Breisgaue erkauft. Daselbst IV, 234. Den schnewlinschen Reichtum zeigen aber besonders die Urk. von 1291, 1318 und 1323 bei Schreiber l, 117, 225 und 248, und der Theilungsbrief von 1465 im Landecker Copeibuch, Nr. 9.); denn in allen Theilen des gesegneten Breisgauer Landes erwarben sie Burgen und Säßhäuser mit zugehörigen Dörfern und Höfen. So namentlich die Vesten Wiseneck und Weiler im Zartener Thal, die wilde Schnewburg hinter Oberried, das Weierschloß Schnewfelden bei Emmendingen, die Doppelveste Landeck hinter Mundingen, die Burgen Kranznau am Kaiserstul und Birkenberg zu hinderst im Thale von Ettenheim-Münster, die Wasserhäufer zu Ebnet, Krozingen und Mengen, ja selbst auf längere Zeit die zäringische Stammburg.

Und hatte es in der alten Grafenzeit von Freiburg schon mehrere schnewelin’schen Aeste gegeben, so zählte das Geschlecht im 15ten und folgenden Jahrhundert nicht weniger als vierzehn verschiedene Zweige.

Aber nicht blos als die reichsten Edelleute im Breisgau erschienen die Schnewelin, man lernte sie daneben auch als die bösesten Buben der ganzen Landschaft kennen. Wie frech dieselben es zu treiben wagten, haben sie am sprechendsten als Schuzvögte der Klöster S. Wilhelm und S. Märgen gezeigt.

Das Wilhelmiter Klösterlein zu Oberried war 1235 gestiftet und mit ansehnlichen Grunde und Boden in dortiger Gegend bewidmet worden. Nachdem aber der kolmannische Ast der Schnewelin die Schirmvogtei darüber erworben und auf der benachbarten Höhe (wohl bei einem alten Römerthurm) die Schnewburg erbaut, wollte die junge geistliche Pflanzung nicht mehr gedeihen; denn die Vögte saugten die Klosterleute aus und trieben von ihrer Veste herab schmählichen Straßenraub (
Mone, Quell. zur bad. Geschichte l, 196. P. Eichhorm Ge-
schichte des Klosters Oberried. Handschr
).

Dieses Unwesen wurde so arg, daß es die Freiburger nicht mehr länger gedulden wollten. Im Jahre 1314 zogen sie bewaffnet aus, erstiegen das Raubnest, brannten es nieder und führten den Burgherrn gefangen hinweg. Seither ligt die Veste als ,,wilde Schneeburg" in ihren Trümmern. (
Schreiber, Gesch. von Freib. l, 102. In einer Urk. von 1292 erscheint Johann Snewelin der jung, Vogt zu Oberried. Derselbe und sein Bruder Walther verkaufen 1317 an das dortige Kloster ihre Güter im Geroldsthal und Ferlinsbach »ohne die Burg, der man spricht die wilde Snewesburg.« Dieses Felsennest lag im S. Wilhelmer Thal, am westlichen Abhange des Hochfarren, über dem ,,Gefäll", und unweit von dem Frauenstein.")

Das aber war gleichsam nur ein kleines Vorspiel zu der langen Tragödie, welche die Schnewelin vom wiseneckischen Aste mit den Mönchen von S. Märgen auszuführen wagten. Uebermüthige, rachesüchtiger und gewaltthätiger läßt sich kaum Etwas denken, als hier das unritterliche Treiben dieser adeligen Emporkömmlinge war.

Zum Unglücke für das Gotteshaus S. Märgen hatte der Graf von Hohenberg 1293 "die Burg und Herrschaft ze Wisenecke in Zartental und die Vogteie über das Kloster ze sante Marienzelle mit Lüten und Gütern, Gerichten und Rechten und Gewohnheiten an Holz und Feld, an Aeckern, Reben und Matten, an Wassern und Fischenzen", schuldenhalber an den freiburgifchen Patrizier Turner verkaufen müssen. Von diesem aber gieng dieselbe schon 1319 an die schewelin´sische Familie über, und nun begannen deren Feindseligkeiten gegen das Kloster - gleich von vorneherein mit einer offenbaren Gewaltthat und Rechtsverlezung.

Urkundlich waren, wie bei den meisten Gotteshäuserm auch bei S. Märgen die s. g. Sal- oder Stiftungsgüter von aller weltlichen Vogtei befreit und nur die lehen- oder erbweise vergebenen Besizungen der Gewalt des Schirmvogts unterworfen. Hieran kehrte sich Johann Schnewelin, der Herr von Wiseneck, jedoch wenig und erhob auch von den Salgütern die gewöhnlicheVogtsteuer und andere Abgaben, was sofort zu einem giftigen Rechtsstreit führte.

Nun legten sich die Sippen des Vogts, namentlich der freiburgische Schuldheiß Schnewelin und dessen Bruder, »der Gresser«, in´s Mittel, und der Abt Dietmar, in gutem Glauben an deren billige und edelmännische Rechtlichkeit, ließ sich herbei, auf ihren Schiedspruch zu compromittieren. Da dieser Spruch jedoch ganz parteiisch zu Gunsten Herrn Johanns ausfiel, so wurde er vom Kloster entschieden zurückgewiesen und vom Papste für ungütig erklärt.

Das aber war Oel in’s Feuer gegossen. Der Wisenecker hielt fest an dem erschlichenen Spruche, und als die Mönche sich nicht fügen wollten, griff er gewaltthätig zu, vertrieb sie aus dem Kloster, eignete sich kirchenräuberisch ihre fahrende Habe an und schaltete mit den Klostergütern nach Laune und Willkür.

Die ,, armen Leute", welche im sanktmärgischen Gebiete saßen, wurden mit unerschwinglichen Steuern und Abgaben belegt und zogen daher häufig hinweg, wodurch die Güter großentheils ungebaut blieben und verwilderten. Das Klostergebäude aber lag jahrelang so verödet, daß es in Zerfall gerieth), daß ,,in der Kirche, im Chore, um den Hochaltar das Unkraut dicht emporwucherte und Spinnen, Kröten und Nattern ihre Nester darin fanden."

Dieser jammervolle Zustand seines Nachbarstiftes gieng dem Abte von S. Peter so zu Herzen, daß er sich deswegen in einem beredten Schreiben nach Avignon an den heiligen Vater wendete. Seine Sprache hatte die Wirkung, daß Johann XXIl dem Bischofe von Konstanz befahl, den Schnewelin und seine Gesellen mit dem Banne zu belegen.

Gleichwohl erlag Abt Dietmar den Folgen der erlittenen Bedrängniß. Aber auch Herr Johann starb, und dessen Vettern zu Freiburg suchten seine Schuld durch eine reichliche Gottesgabe an das mißhandelte Kloster zu sühnen (
Der Ritter Schnewelin von Wiseneck, Bürgermeister zu Freiburg, vermacht dem Kloster zum Seelenheile seiner Vordern den Kirchensaz zu Haslach K. Urkunde von 1329).

Inzwischen hatten sich die vertriebenen Mönche wieder nach S. Märgen zurückbegeben und der neue Abt Johann bemühte sich eifrigst, den Gottesdienst und die Klosterwirthschaft wieder herzustellen. Und es schien, als wolle ihn der junge Vogt, Herrn Johanns gleichnamiger Sohn, darin pflichtgemäß unterstützen; denn er erlaubte dem Kloster, eine 10jährige Anleihe zu erheben, um sich damit wieder aufzuhelfen.

Der Apfel war aber nicht weit vom Baume gefallen. Als das Kloster die ihm entrissenen Güter und Gilten ernstlich wieder zurückzufordern begann, erhob der Vogt neue Feindschaft gegen dasselbe, neuen noch gehäßigeren Streit und Hader. Denn hatte der Vater seine rechtswidrigen Ansprüche durch einen erschlichenen Schiedspruch rechtfertigen wollen, so suchte der Sohn seine Anmaßungen durch die gewaltsame Erpressung eines Vertrages zu sanctionieren.

Eines Tages überfielen die Gesellen des jungen Schnewelin bewaffnet das Kloster, nahmen den Abt mit etlichen Konvent-Herren gefangen und führten sie nach Wieseneck in Verwahr. Hier nun suchte ihnen der Vogt Dasjenige abzudringen, was er wünschte. Die Gefangenen blieben aber standhaft, und weil’s ihm lästig fiel, dieselben noch längere Zeit zu füttern, so wurden sie nach etlichen Monaten, gegen Abschwörung einer Urfehde, wieder auf freien Fuß gestellt.

Dieses Verfahren war eben so thöricht, als gewaltthätig; denn die Mönche ließen sich ihres Eides entbinden und brachten ihren Verfolger mit seinen Helfern in den Kirchenbann, ,,bis er zum Kreuze kriechen werde". Alle Sonntage verlasen die Pfarrer den Bannbrief von der Kanzel und verboten den Gemeinden allen Umgang mit den gebannten Frevlern.

Jahre giengen darüber hin und neuer Kirchenbann drohte allen Denen, welche sich weigern würden, dem Stifte S. Märgen die geraubten Güter zurück zu geben. Da wirkte der Bannstral endlich - Herr Johann kroch zum Kreuze. Er unterwarf sich dem Spruche eines Schiedgerichtes und leistete dem Kloster eine befriedigende Entschädigung, worauf ihn der Bischof wieder aus dem Banne that.

Nicht lange jedoch währte es und neue Irrungen erhoben sich zwischen Kloster und Schirmvogt, gerade während des erbitterten Freiburger Krieges, welcher sieben Jahre lang das breisgauische Volk in Verwirrung und Jammer versezte. Und bis zum Meuchelmorde kam es diesmal; denn eines Tages 1355 wurde Abt Konrad bei Ebnet erschlagen (
Alles nach den Urkunden des ehemal Kl S. Märgen von 1293, 1320,1322, 1332 1341, 1346, 1348, 1353, 1357, 1360, 1363, 1364, 1366, 1370 und 1372. Vergl auch Petri Suev. sacra, 236, und Kolbs Lexicon von Baden III, 145.)

Damit endigte der 40jährige Hader. Es geschah 1372 eine vollkommene Ausgleichung zwischen den S. Märgenern und der schnewelin´schen Familie. Hierauf gieng 1383 die Klostervogtei aus deren Hand an die Herren von Blumeneck über; aber das Gotteshaus war, in Zucht und Wirthschaft jämmerlich zerrüttet und fristete sein Dasein kein Jahrhundert mehr.

Im Jahre 1463 verkaufte Abt Johann V die sanktmärgischen Klostergüter an die Stadt Freiburg und zog sich mit dem Reste seines Konventes in das dortige Klösterlein Allerheiligen zurück. Erst 1725, nach langen Bemühungen, wurde die Abtei S. Märgen wieder hergestellt.

Aber nicht allein die alte Stiftung der Hohenberger gieng an den Schnewelin zu Grunde, auch die Ritterfamilie von Falkenstein wurde durch diese adeligen ,,Ruechen« allmählig aufgezehrt. Ein Stück Gutes nach dem andern drückten sie derselben ab, bis die verschuldeten Junker so weit herabkamen, daß Wegelagerei und Straßenraub ihr Handwerk wurden, wie sie solche ehedem selber getrieben.

Als um die Mitte des 15ten Jahrhunderts die letzten Sprößlinge des uralten falkensteinischen Edelgeschlechtes in ärmlicher Dunkelheit verschwanden, hieß Johann Schnewelin von Landeck zu Wiseneck der »Herr des Kirchzartener Thales«, und hinterließ seinen Nachkommen noch außerdem die landeckischen Dörfer mit dem Glotter- und Ferenthale (
Mone, Quellensamml. l, 243. Ein schnewelin´scher Zinsberein von 1446 bis 1463, und der Theilungsbrief von 1465 zälen auf 1) die Herrschaft Wiseneck, 2) das Kirchspiel Breitnau, 3) die Falkensteig mit dem Zoll: und Wildbann, 4) das Dorf Ebnet und verschied. Güter und Zinse zu Litenweiler, Kirchzarten, Geroldsthal,  Dietenbach ec., 5) die Herrschaft Landeck, 6) das Gloter- und Ferenthal, 7) die Dörfer und Höfe in der Mark, 8) Höfe, Güter und Zinse zu Ferstetten, Denzlingen, Krozingen, Biengen, Gottenheim, Waltershofen, Horben, Weilersbach ec.)

Die Burg Landeck mit ihren Zubehörten war inzwischen durch Auftragung ein badisches, und die Veste Wiseneck mit ihrer Herrschaft ein österreichisches Lehen geworden. Dieser schnewelinische Zweig erlosch aber 1603 und seine reiche Verlassenschaft gelangte durch eine Erbtochter an die Freiherren von Sickingen (
Anna, Tochter des Hanns Jakob von Landeck vermählt mit Friderich v. S. Gebert, histor.s.n. Il, 229), welche nun neben der Stadt Freiburg die bedeutendsten Grundherren des Treisamthales waren.

Auch die übrigen schnewelin´schen Zweige dorrten nach einander ab, und 1833 erlosch das ganze Geschlecht mit einem kinderlosen Zwergen. Es war der Freiherr Franz Xaver Schneiling Bernlapp (wie er sich selber schrieb) zu Bollsweil, welcher noch dieses altschnewelin´sche Lehen besaß, dessen Bestandtheile die Dörflein Bollsweil, Selden, Bietzighofen, Au und Witnau im Haxtenthale bildeten.

Ueber sechs Jahrhunderte lang waren also die Schnewelin auf’s engste in die breisgauische Geschichte verflochten. Wir wollen glauben, daß ihr löblicheres Wirken, namentlich zu Freiburg in den ersten städtischen Aemtern, und ihre stillen Verdienste durch soviele Geschlechtalter herab, ein Gewicht in die andere Wagschale legten, welches jene Verirrungen, Gewaltthaten und Sünden, wovon ich hier ein kleines Bild entworfen, wohl großentheils wieder aufwiegen mochte.