Anklagesache gegen Nikolaus Schweizer von Attentat wegen Brandstiftung
1870
Freiburg, 2.
April. Heute Abend kam noch zur Verhandlung die Anklagesache gegen
Nikolaus Schweizer von Attentat wegen Brandstiftung. Vorsitzender:
Kreisgerichtsrath Sauerbeck; Ankläger: Staatsanwalt Maier;
Vertheidiger: Anwalt Stebel.
Am 23. März d.J. dem Feste Maria Verkündigung, Vormittags, brannte die
Scheuer des Gemeinderechners Johann Georg Mayer in Dietzenbach stammt
einem großen Theil der darin befindlichen Fahrnisse vollständig nieder,
nicht einmal alles im Stalle gewesene Vieh konnte gerettet werden.
Diese Scheuer war früher zugleich Wohnhaus und wurde erst, als Johann
Georg Mayer sich daneben ein neues Wohnhaus erbaut hatte, bloß als
Oeconomiegebäude benützt. Der untere Stock diente als Stall, die
frühere Wohnstube und Kammer war mit Stroh gefüllt. Der zweite Stock
hatte eine Einfahrt vom Berge her und war die eigentliche Scheuer; es
waren jedoch auch Kammern darin, in welchen zwei Knechtend der
Hirtenknabe (der Angeklagte) wohnten und schliefen. Das Gebäude,
obschon der Hauptsache nach der Landwirtschaft gewidmet, war sonach
immer noch Wohngebäude.
Der vom Feuer angerichtete Schaden beträgt für Johann Georg Maier
ungefähr 2553 fl. für Knecht Denzlinger 122 fl. und Josef Drescher 24
fl. 30 kr.
Das von Stein erbaute und mit Ziegeln gedeckte neue Wohnhaus des Johann
Georg Mayer stand nur 12 Schritte von dem alten entfernt, es war daher
in Gefahr, vom Feuer ergriffen zu werden und nur mit großer Anstrengung
gelang die Rettung desselben.
Johann Georg Mayer war mit seiner Ehefrau und dem Angeklagten am 25.
März Morgens in der Frühmesse nach Kirchzarten gegangen. Er selbst
blieb nach der Kirche dort zurück und ließ seine Frau mit dem
Hirtenbuben allein nach Hause gehen. Unterwegs begegneten ihnen die
Knechte, welche in den Hauptgottesdienst sich begaben. Zu Hause
angelangt, hieß die Meisterin den Hirtenbuben die Schafe aus dem Stalle
lassen, kaum aber war der Knabe dem Befehle nachgekommen, so stieg ein
sehr starker Rauch aus dem Wirtschaftsgebäude empor und bald stand
solches in Flammen.
Der Verdacht der Brandstiftung richtete sich daher sofort auf den Angeklagten, welcher die That auch alsbald eingestanden hat.
Nikolaus Schweizer, geborgen am 8. September 1857, unehelicher Sohn der
Dienstmagd Helena Schweizer aus Attenthal, war erst 14 Tage vor dem
Brande in den Dienst des Johann Georg Mayer getreten. Wegen
Nachlässigkeit in diesem Dienste erhielt er am Donnerstag, den 24. März
um Mittag von seinem Dienstherrn Schläge und aus Rache hierfür gibt er
selbst zu, den Brand gelegt zu haben.
Seinem Geständnisse zufolge, wartete er den Feiertag ab, an welchem
alle Bewohner des Hofes mit Ausnahme seiner und der Meisterin in der
Kirche waren, ging auf den Befehl der Meisterin, die Schafe
herauszulassen, zunächst in sein Kammer, holte aus der Westentasche ein
Zündhölzchen und zündete damit das Stroh in der alten Wohnstube an. Das
Feuer griff so schnell um sich daß seine Versuche es zu löschen,
mißlangen. Die Zündhölzer hatte er sich dadurch verschafft, daß er
schon am Dienstag zuvor von der Magd Katharina Birkenmaier unter dem
Vorwand, der Kälte wegen auf dem Berge Feuer zu machen, zwei Stück
erbettelte.
Obschon erst 12 1/2 Jahre alt wird Nikolaus Schweizer von allen
Personen die ihn kannten, sowie von Seiten des Gerichtsarztes als ein
gescheidter, aber boshafter und durchtriebener Knabe geschildert, der
sehr wohl die Strafbarkeit seiner Handlung erkennen im Stande war.
Die Staatsbehörde nahm Brandstiftung an einem Wohngebäude und die
Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten an. Der Verteidiger bestritt das
letztere. Der kleine Missetäter habe die Grenze, wo den Minderjährigen
Übertretungen der Strafgesetze zur gemilderten gesetzlichen Strafe
zugerechnet werden können, insofern sie die zur Unterscheidung der
Strafbarkeit der Handlung erforderliche Ausbildung bereits erlangt
haben, erst 1/2 Jahr überschritten, er sei bei seinen Großeltern
aufgezogen worden, habe in frühester Jugend sein Brod bei fremden
Leuten verdienen müssen, nur spärlichen Schulunterricht genossen, in
Gesellschaft des von ihm gehüteten Viehes habe die sinnliche rohe Natur
bei ihm die Oberhand gewonnen, er verdiene nicht die gesetzliche
Strafe, sondern den Stock. -
Die Geschworenen bejahten die im Sinne der Anklage gestellte Thatfrage,
verneinten aber die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten, worauf
derselbe von der Anschuldigung der Brandstiftung und den Kosten
freigesprochenen auf freien Fuß gesetzt wurde.