zum Inhaltsverzeichnis

Die Freiburger Talvogtei im Dreisamtal
Studie zur Entstehung und zur Verfassungsgeschichte bis zum Jahre 1661

Attental

a. Geschichtlicher Überblick
Attental war gräflich hohenbergischer Besitz, der zur Herrschaft Wiesneck gehörte. 1381 erwarb Herzog Leopold von Österreich vom Grafen Rudolf III. von Hohenberg die gesamte hohenbergische Herrschaft und wurde somit auch Lehensherr über das Attental, das als Überrest ursprünglich umfangreichen Besitzes im Breisgau den Grafen geblieben war. Bis zum Übergang des Breisgaues an Baden blieb der 1381 geschaffene Rechtszustand bestehen. 
Schon früh verliehen die Grafen von Hohenberg das Tal an kleinere Herren. 1276 verkauft Rudolf von Uesenberg dem Deutschordenhaus in Freiburg u.a. den Zehnten zu Attental. Später treffen wir lange Zeit die Herren von Falkenstein als Lehensträger an. Der Dingrodel von Attental (Urkunde der Talvogtei (im Stadtarchiv Freiburg) von ca. 1320, der mit größter Wahrscheinlichkeit sich auf einen ähnlich lautenden älteren Rodel stützt. Ein Bearbeiter setzt den älteren Rodel auf etwa die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts an. Dem ist zuzustimmen, da der Rodel noch kein Selgut der St.Märgener, das etwa um 1260 an das Kloster kam, aufgezählt. Vgl Urkunden des Klosters St.Märgen vom 4.3.1460 (im Stadtarchiv Freiburg) nennt als Herrn Walter von Falkenstein. Die Falkensteiner erhielten 1375 noch einmal das Tal von Graf Rudolf von Hohenberg als Lehen (Monumenta Hohenbergia Nr. 630). 1438 verkaufte Hans Adam von Falkenstein-Tachswangen das Attental an Konrad Tegelin den Älteren, dessen Sohn Konrad gezwungen war, das Lehen um 150 Gulden dem Kloster St.Peter zu verpfänden. Das Kloster nahm sein recht als Pfandherr wahr und verkaufte das Tal weiter an Freiburg, nachdem Kaiser Maximilian schon bei seinem Freiburger Aufenthalt den Oberzunftmeister Jörg Dörfflin als Lehensträger für die Stadt belehnt hatte. Von da ab blieb Freiburg ununterbrochen im Besitz des ganzen Tales – 1462 hatte die Stadt bereits das Selgut mit dem Kauf der ganzen Klostergebiete erworben.
Die beiden Attentaler Bezirke, Selgut und vogtbares Gut, kamen zur Talvogtei und wurden verwaltungsmäßig als Einheit behandelt. In den Berainen von 1502 und 1505 ist eine Trennung nicht mehr zu erkennen. (Akten der Talvogtei: Spezialia Attental, Bericht des Archivars Elgg über Attental, 1837, Conv. 50.) Etwa 1760 wirkte sich der Zustand für die Stadt ungünstig aus, da die Lehensherrschaft Österreich das ganze Tal als Lehen ansah. Die Stadt musste damals lange Prozesse geführt haben, deren Akten verloren gingen. 

b. Herrschaft und Herrschaftsgebiet
Das Herrschaftsgebiet ist im Rodel genau beschrieben, es entspricht den natürlichen Talgrenzen und schließt ein kleines Stück des Dreisamtales bis zum Eschbach ein. Kurze Zeit gehörte das Gut des Welch von Wiesneck, das unterhalb der Burg lag, zum Falkensteiner Lehen.
Attental ist Mannlehen des Grafen Albrecht von Hohenburg, d.h. Erblehen im Mannesstamm des Lehensträgers. Dieser hatte alle hoheitliche Gewalt, Gericht, Zwing und Bann. Er zieht grundsätzlich sämtliche Bußen und Gefälle an sich . (Akten der Talvogtei: Zinsrodel von Attental um 1320). 

c. Die Gerichtsbarkeit
Wie schon für Kirchzarten festgestellt wurde, decken sich auch im Attental Gerichts- und Banngebiet. Die Verschiedenheit beider Institute ist aus dem Wortlaut des Weistums ersichtlich.
Im Laufe der Zeit erfolgte eine Teilung des ursprünglich geschlossenen Talgebietes in 2 Herrschaftsbereiche, in das St.Märgener Selgut und den Distrikt , der durch den Lehensträger der Grafen von Hohenberg, später des österreichischen Landesherrn verwaltet wurde. 1366 wird Abt Wernher durch ein Schiedsgericht die Gerichtsbarkeit über das Selgut im Attental zugesprochen, ohne großen Erfolg. In einem neuen Streit, als sich der Nachfolger der Ritter von Falkenstein, Konrad Tegelin der Jüngere, auf die Übung seiner Vorgänger und den Dingrodel beruft und die Gerichtsbarkeit über den gesamten Bann beansprucht, entscheidet der vom Landvogt bestellte Lehensrichter, Jakob von Staufen, zu Gunsten des Klosters. Tegelin wird die usurpierte Gerichtsbarkeit über das Selgut von St.Märgen verweigert. Das Beispiel zeigt noch einmal die hoffnungslose Lage St.Märgens und seine Schwäche gegenüber den kleineren Herrschaften der Umgebung. Trotz günstiger Urteile und des landesherrlichen Wohlwollens konnte Abt und Konvent den Ruin nicht aufhalten.
Walter von Falkenstein ist der Herr des Gerichts, über „dubi und frele, über die übelli und die freveli über das gut, über holsunan und überfenge“, also auch Hochrichter. Er hat die alleinige Gerichtsbarkeit, Klagen dürfen nur bei ihm vorgebracht werden. Als St.Peter pfandweise die Herrschaft übernahm, hatte es nur die Frevelgerichtsbarkeit übernommen. Über den Inhaber der hohen Gerichtsbarkeit wird nicht gesprochen. Das Hohe Gericht wurde in dieser Zeit wahrscheinlich vom Klostervogt St.Peter ausgeübt.
Gerichtsort ist der Dinghof in Zarten. Dreimal im Jahr sind die Leute des Banngebietes gehalten, dorthin zu gehen. Darüber hinaus nur, wenn ein Dieb oder „Schädlicher Mann“ abgeurteilt werden soll.
Die Bestimmung Zartens als Gerichtsort bereitet einige Schwierigkeiten. Zarten gehört zur Vogtei St.Märgen und war vermutlich der alte Gerichtsort des Dreisamtales und der Hohenbergischen Herrschaft in diesem Gebiet. 
Solange die Grafen Vögte und Hochgerichtsherren waren, ist denkbar, daß sie als gemeinsame Oberherren auch die Attentaler richteten und dem Lehensträger die Gerichtsgebühren, auf die es diesem wohl in der Hauptsache ankam, zufließen ließen. Unter den Nachfolgern in der Vogtei, die mit den Herren von Falkenstein und Tegelin im gleichen Range standen, ist ein derartiger Vorgang weniger wahrscheinlich. Näher liegt folgender Gedanke: die Tradition Zartens als alter Gerichtsort der marcha Zarduna, später des hohenbergischen Gebietes, blieb so stark in der Bevölkerung verwurzelt, daß nach Aufteilung des alten Gerichtssprengels die einzelnen Herren z.T. nach wie vor dort Recht sprachen.

d. Verwaltung, Zwing und Bann.
Von der Verwaltung des Bannes Attental erfahren wir sehr wenig. Das Banngebiet deckt sich ursprünglich mit dem Gerichtsgebiet. Nicht zu klären war, ob das St.Märgener Selgut, nachdem es der Gerichtshoheit des Talherren – wenigsten de iure – entzogen war, auch aus dem Bann ausschied. Nach dem früher hierüber Gesagten ist diese Annahme nicht berechtigt. Im Rodel selbst finden wir die Pflicht der auf der Vogtei gesessenen Leute, das Fasnachtshuhn abzugeben. Die Erwähnung einer Sonderabgabe wäre überflüssig, wenn nicht von dieser Sondersteuer befreite Leute, die auf dem Selgut von St.Märgen wohnenden, den Vogtleuten gegenüber gestellt worden wären.
Der Rodel spricht weder von einem Vogt noch Dinghof oder Meier, noch von sonstigen Amtleuten, denen die Verwaltung des kleinen Tales oblag. Dagegen werden „die geburen“ oder die „gebursame“ insgesamt mit gemeinsamen Pflichten angeführt, sodaß das Vorhandensein einer geschlossenen Bauernschaft festgestellt werden kann. 
Die hoheitliche Gewalt lag ganz beim Lehensträger. Er hatte „ den bach und ban zu Attendal“, „alle gebotte sint da sin über stege und über wege“. Ein Ortsfremder, der sich in Attental niederlässt, hat sich den Geboten zu unterwerfen und dem Herren gehorsam und dienstbar zu sein.
Für die Bauernschaft setzt der Dingrodel an Aufgaben und Leistungen fest: die Äcker, Matten und Gärten soll jeder gegen die Allmende abgrenzen und mit einem Hag absperren bei einer Buß von fünf Schillingen, die an den Herren zu zahlen ist.; dieselbe Buße zahlt, wer die Umzäunung eines anderen entfernt. Die Allmendstraße muß in einem guten Zustand bleiben und so unterhalten werden, daß ein Karren oder Wagen ohne Gefahr passieren kann. Im Bereich eines anderen Bauern Holz einzuschlagen, war bei Strafe verboten. Für einen gefällten Baum, sei es Eiche, Kirschbaum oder Tanne, zahlt der Frevler ein Pfund Rappen, für einen Fuder Brennholz drei Schilling, für 100 Reifstangen (für Fassreifen) 18 Pfennig. Der Fremde, der ansässig wurde, erhielt dieselben Pflichten auferlegt, er musste sich der Gebursame anschließen und sie achten. 
Bei Grenzfreveln, Übersäen und Übermäen sollen zwei Leute des Gerichts hinzugezogen werden, die den Schaden zu schätzen und dem Schädiger aufzugeben hatten. Für die Bekanntgabe des Schadens und die Art der Beseitigung mussten den Küstern, wie sie genannt werden, sechs Pfennig gezahlt werden. Trat der Schädiger auf diese Anweisung hin nicht mit dem Geschädigten über die Behebung des Frevels in Verbindung und wird Klage erhoben beim Herrn, muß er dem Herrn 5 Schillinge, dem Gericht drei Schillinge zahlen. Hier fanden wir die einzige Buße, die nicht vollständig an den Herrn abzuführen war.
Die Gefälle sind die üblichen. Drittel und Todfall werden gezahlt, als letztes das Besthaupt oder, wenn es sich um einen Fremden handelt, das beste Gewand, falls nicht ein nachfolgender Herr dies einfordert. Am Remigiustag waren 10 Schillinge fällig oder der Herr musste beherbergt werden.
Ständische Unterschiede innerhalb der Bauernschaft lassen sich nicht feststellen: außer der Zahlung des Fasnachtshuhnes durch die Vogteileute waren alle Untertanen denselben Pflichten unterworfen. Die Bezeichnung Vogteileute scheint mir nicht im üblichen Sinne gebraucht zu sein, da es sich beim Attental nicht um ein geistliches Gebiet gehandelt hat. Sie wurde eingeführt, als St.Märgen einen Teil des Tales als Selgut zugesprochen erhielt.

Auszug aus der Dissertation
Zur Erlangung der juristischen Doktor-Würde
Der Hohen Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät
der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i.Br.
von
Fritz Armbruster, Freiburg i.Br. 1950