Genealogie im Dreisamtal - Personenblatt
Genealogie im Dreisamtal - Personenblatt
NameGerhard Emil von RUCKTESCHELL
Birth Datum30 Dez 1894
Birth OrtHamburg
Death Datum18 Jun 1970 Alter: 75
Death OrtFreiburg - Günterstal
OccupationSchreinermeister, Holzbildhauer
Partner
Birth Datum5 Mär 1893
Birth OrtPosen
Death Datum16 Okt 1971 Alter: 78
Death OrtFreiburg - Günterstal
Marr Datum10 Aug 1922
KinderChristoph Hans Roland (1925-1988)
Notizen für Gerhard Emil von RUCKTESCHELL
Gerhard v. Ruckteschell (1894 - 1970) - Bildhauer
Gerhard erblickte 1894 in Hamburg das Licht der Welt und durfte in einem künstlerisch und intellektuell anregenden Milieu aufwachsen. Nach dem Ersten Weltkrieg studierte er in Freiburg bei Prof. Willibald Gurlitt (+1963) Musik. Gurlitt war auf der Suche nach dem "historischen Klangbild" der älteren Musik. Auf ihn geht auch die nach alten Aufzeichnungen nachgebaute "Prätorius-Orgel” zurück, die nach ihrer Zerstörung im Krieg in der Aula der Universität neu erbaut wurde. Gerhard v. Ruckteschell gehörte zu den Studenten, die sich ebenfalls dem Interesse an der Wiederbelebung der alten Originalinstrumente widmeten. Er selbst spielte Geige. Die Musik allein genügte dem begabten jungen Mann aber nicht. Er wollte sich allseitig bilden. Seine Vorbilder waren expressionistische Künstler seiner Zeit mit ihrer Lebensphilosophie vom Gesamtkunstwerk auf der Basis handwerklicher Fertigkeiten. Er schuf in den zwanziger Jahren eine Reihe von Bildern im expressionistischen Stil, von dem er sich dann aber abwandte‚ um seinen eigenen "unheimlich guten Strich” zu finden. — So jedenfalls äußerte sich der Kirchzartener Cartoonist Thomas Zipfel, der sich an diesem Strich, wie er selbst sagte, schulte. Werke aus seiner Jugendzeit wurden Anfang der 1980er Jahre noch einmal im Rahmen einer Expressionisten—Ausstellung in Holland gezeigt.

Seit den 1950er Jahren wurde an der Verschönerung des Ortsbildes gearbeitet. Der damals in Burg am Wald wohnende Holzbildhauer Gerhard von Ruckteschell (1894-1970) gestaltete in dieser Zeit eine Reihe von Skulpturen und Kreuzen, die allenthalben im Dorfan markanter Stelle anzutreffen sind. Jeder kennt den unübersehbaren Pfaff-Salesi am Ortseingang (1956), aber auch den Mutterbrunnen am Rathausplatz (1958 ), den Trachtenbrunnen bei der Krone (1964), auf dem Alten Friedhof das Gefallenendenkmal mit drei Engeln (1957,) und das Holzdenkmal mit dem Auferstehungsengel, ferner die Kreuze am Brunnen an der Freiburger Straße (1950), an der Brücke nach Neuhäuser (1960) und am Giersbergparkplatz (1969). Eine Bronzebüste im Rathaus erinnert an Bürgermeister Dr. Gremmelsbacher. Leider sind der ausdrucksstarke Sämann, der lange vor der Sparkasse stand, ebenso wie die ein Meter hohen Schachfiguren aus dem öffentlichen Raum verschwunden. Dafür haben die Kirchzartener Hexenmasken jedes Jahr ihren Auftritt, die ebenso wie der Narrenbrunnen von Gerhard v. Ruckteschell ent- worfen wurden, so dass er die Kirchzartener Fasnet prägte. Noch manches Kleinkunstwerk findet sich in der Umgebung, so an der Kienzlerschmiede oder in der Laubishofkapelle in Burg und in manchem Privathaushalt. — Das Holzreliefdes sagenumwobenen Ritters Kuno von Falkenstein am Gasthaus Fortuna hat sein Sohn Christof (+1988) geschaffen, der als junger Mann in
der Werkstatt des Vaters gelernt hatte, dann Innenarchitekt wurde und in späteren Jahren noch den Meisterbrief des Schreinerhandwerks erwarb.

Im Sinne einer von ihm angestrebten allseitigen Bildung absolvierte Gerhard v. Ruckteschell in Freiburg bei Schreinermeister Paul Busse (+1944) nun eine Schreinerlehre. Dort lernte er seine Frau Gisela Toporski (T1971) kennen. lm Jahre 1927 erhielt er seinen Meisterbrief und eröffnete daraufhin im Neubergweg in Freiburg-Herden eine eigene Werkstatt.

 Mitte der 30er Jahre war er als Gewerbeschullehrer in Baden-Baden tätig. Sein um 12 Jahre älterer BruderWalter, ebenfalls künstlerisch tätig als Kunstmaler und Bildhauer, lebte nach längerem Aufrikaaufenthalt in Dachau, wo es noch eine denkmalgeschützte Ruckteschell-Villa aus den 1930er Jahren gibt. Im Ersten Weltkrieg hatte Walter General von Lettow-Vorbeck nach Ostafrika begleitet, mit dem zusammen er ein Buch mit Illustrationen von seiner Hand herausgegeben hat. 1935 zog ein weiterer Bruder, Hellmuth, in die Nähe Gerhards. Er war ehemaliger Fregattenkapitän der kaiserlichen Marine und nach dem Krieg, nach ordnungsgemäßer Lehrzeit, 1927 ebenfalls mit Schreinermeisterurkunde ausgestattet. Dieser hatte seine eigene Werkstatt in Bremen aufgegeben, wo er bekannt geworden war für seine vom Worpsweder Einfluss geprägten handgefertigten Möbel und filigranen Schnitzereien. Er hatte sich 1934 als Reserveoffizier reaktivieren lassen und neben seinen militärischen Übungen ein Kunststudium in Karlsruhe begonnen. Mit ihm zusammen machte Gerhard v. Ruckteschell nun in Baden-Baden eine eigene Werkstatt auf.

1938 siedelten die beiden Brüder in den Markenhof nach Burg im Dreisamtal über. Dort, im geräumigen, seit Jahren bereits profanierten Synagogenraum der ehemaligen jüdischen landwirtschaftlichen Lehranstalt richteten sie ihre Werkstatt ein. Sie versuchten in dieser "Villa am Park" die ideale "Lebensgemeinschaft zusammen mit Lehrern und Gesellen" umzusetzen. Mittlerweile hatte sich Gerhard v. Ruckteschell überwiegend der Schnitzkunst zugewandt. Diese hatte er sich als Autodidakt angeeignet, was nicht daran hinderte, daß erjahrelang ohne Lehre und Meistertitel in dieser Sparte in Südbaden lnnungsmeister der Holzbildhauer war. Seine Holzschnitzwerke waren gefragt, außerdem malte er auch. — Im Markenhof
konnte er seine vielseitigen Begabungen pflegen: Es wurde viel musiziert, mit eigenem Chor und zeitweise drei Quartett—Formationen - darunter ein liebevoll so genanntes "Babytett” der Jüngeren. Er malte auch, und seine Holzschnitzwerke waren gefragt. ln dieser Zeit war zu einem Konzert auch einmal derjunge Dietrich Fischer-Dieskau zu Gast.

Auf einer der Weltausstellungen in den 1930er Jahren — wohl 1937 in Paris, denn das Thema hieß damals „Kunst und Technik der Moderne” - hatte Gerhard v. Ruckteschell sich ein Patent für einen besonderen Typ der hoizgeschnitzten Kuckucksuhr geben lassen: Schwarzwaldhaus mit Figuren, die er in verschiedenen Variationen, z.B. auch mit Zwergen, in Zusammenarbeit
mit derTriberger Uhrenfabrik Herr in Einzelstücken herstellte. Während des
Krieges allerdings ruhte die Produktion, da beide Bruder als Reserveoffiziere eingezogen wurden. Nach dem Krieg und nach dem Tod des Bruders fertigte Gerhard v. Ruckteschell Möbel und Kleinplastiken wie etwa auch Krippenfiguren an sowie die verschiedenen, schon genannten Großplastiken in Kirchzarten. Die Uhrenherstellung war inzwischen von Fabriken mit
serienmäßiger Fertigung abgelöst worden. —

Mitte der sechziger Jahren zog die Familie in den Kirchzartener Innerort, wo Gerhard v. Ruckteschell seine letzten Lebensjahre verbrachte. Er hat, zusammen mit seiner Ehefrau Gisela, auf dem Alten Friedhof in Kirchzarten seine letzte Ruhestätte gefunden.
Rolf Miedtke
Aus: Johanna Pölzl - Spuren von gestern. Kirchzartener Persönlichkeiten.  Selbstverlag 2010, Seiten 77-80

Handwerkliche Ausbildung; Schreinermeister. Auf künstlerischem Gebiet (Holzbildhauerei, Malerei, Graphik) Autodidakt. 1930—35 freiberuflich in Freiburg/Breisgau tätig, 1935—39 Gewerbelehrer in Baden-Baden, 1947—70 freischaffend in Kirchzarten.
W.: Figurenplastiken in Holz, Fastnachtsmasken, Kruzifixe, auch mehrere Porträtbüsten in
Bronze. In Kirchzarten ca. 10 Arbeiten im Freien.
Zuletzt geändert 25 Feb 2020Erstellt 20 Apr 2023 using Reunion for Macintosh
erstellt im Januar 2022
Kein Anspruch auf Richtigkeit bzw Vollständigkeit